Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (F. 6.) 23 
VI. Von einer geregelten Oberaufsicht des Staates über die Stadtgemeinden 
kann in dieser Zeit kaum die Rede sein: die städtische Verwaltung wird in allen Beziehungen 
von der Regierung bevormundet und geleitet, sie hat überhaupt den Charakter eigen- 
tümlichen Lebens verloren und „ein ganz passives Wesen“ angenommen. Besonderer 
staatlicher Genehmigung bedürfen die Städte zunächst in den nämlichen Fällen wie alle 
anderen privilegierten Korporationen — also nach Teil II, Titel 6 des Allgemeinen Land- 
rechts zum Erlaß von Statuten, welche sich übrigens nur auf innere Einrichtungen beziehen 
dürfen, zur Erhebung neuer, Erhöhung bestehender Abgaben, Veräußerung und Ver- 
pfändung von Immobilien — und außerdem zur Belastung des Kämmereivermögens mit 
Kapitalschuld und zur Führung von Prozessen.1 
VII. Neben den gewöhnlichen Städten nennt das Landrecht noch Mediatstädte? und 
Flecken. Erstere sind solche, die, abgesehen von der staatlichen Aufsicht, unter der be- 
sonderen Botmäßigkeit einer anderen Herrschaft stehen und hinsichtlich der Wahl ihrer 
Beamten, Ausführung ihrer Beschlüsse und Verleihung des Bürgerrechtes von der ge- 
nehmigenden bezw. bestimmenden Mitwirkung dieser Herrschaft abhängen. Letztere sind 
eigentlich Dörfer und unterscheiden sich von diesen nur durch die Befugnis ihrer 
Einwohner zum Betrieb gewisser städtischer Gewerbe; ihre Magistrate sollen daher regel- 
mäßig auch nur die Rechte der Dorfgerichte haben. 
8. 6. 
III. Die Städteordnung von 1808.“ 
A. Die thatsächlichen Verhältnisse in der städtischen Verwaltung waren unter der 
Herrschaft des landrechtlichen Bevormundungssystems die denkbar traurigsten geworden. 
„So“, sagt von Raumer sehr treffend 5, „zerfiel die Stadt in zwei ganz unverbundene Teile; 
die ganz Zurückgesetzten — die Bürgerschaft — gehorchten ungerne und sahen (nicht 
selten mit Recht) in den Magistraten nur einseitige, eigennützige Gegner; und diese schein- 
bar Unbeschränkten wurden doch auch ihrer Allmacht keineswegs froh. Denn erstens 
galten die Stellen vieler Bürgermeister, Kämmerer, Ratsherren u. s. w. oft für eine 
bequeme Versorgung invalider Feldwebel und Unteroffiziere, welche ohne Rücksicht auf 
Fähigkeit oder Unfähigkeit in die Magistrate hineingeschoben wurden; zweitens standen 
diese unter strengster Vormundschaft der Regierungen, ohne deren Zustimmung kaum 
das Unbedeutendste beschlossen und vollzogen werden durfte. Außerdem waren fast alle 
Städte der näheren Aufsicht eines Steuerrats untergeordnet, d. h. eines Mannes, der laut 
seines Prüfungszeugnisses oft nicht Regierungsrat werden sollte, aber doch für tauglich 
  
1 §. 149—152, a. a. O. v. 1808. — v. Rönne und Simon, Die 
ꝛ 88. 166—175. 
1 68. 176—178. 
Litteratur zur St. O. v. 1808 u. 1831: 
Vor allem gehört hierher das bereits erwähnte 
Werk von E. Meier, Die Reform der Verwal- 
tungsorganisation unter Stein und Harden- 
berg (Leipzig 1881), wo sich S. 276—306 eine 
aktenmäßige Darstellung der Entstehung der 
St. O. v. 1808, und S. 307—353 eine Dar- 
stellung ihres Inhaltes findet. — Ferner: Pertz, 
Das Leben des Ministers Frhrn. v. Stein, Bd. 
VI, Abt. 1 u. 2 (Berlin 1855). — v. Raumer, 
Üüber die preuß. St. O. (Leipzig 1828). — v. 
Raumer, Zur Rechtfertigung und Berichtigung 
meiner Schrift über die preuß. Städteordnung 
(Leipzig 1828). — Rumpf, Die preuß. Städte- 
ordnung von 1808 (Berlin 1834). — Schilling, 
erhrouck des Stadt= und Bürgerrechts der deut- 
schen Bundesstaaten (2 Bde., Leipzig 1832), ent- 
hält eine systematische Darstellung der St. O. 
  
preußischen Städteordnungen v. 19. Nov. 1808 
und v. 17. März 1831 mit ihren Ergänzungen 
und Erläuterungen (in v. Rönne und Simon, 
Verfassung und Verwaltung des preußischen 
Staates, ir* IV, Bd. I, Abt. 1 [Breslau 1843)). 
— Streckfuß, Die beiden preuß. Städteord- 
nungen (Berlin 1841 (zuerst in der deutschen 
Vierteljahrsschrift, 1838, S. 199 ff.]]l. — v. Sa- 
vigny, Die preuß. Städteordnung (in Rankes 
Hist.“ polit. Zischr., Bd. 1 [Hamburg 18321). — 
v. Stein, Denkschriften über deutsche Ver- 
fassungen, herausgegeb. von Pertz (Berlin 
1848). — Endlich sind auch zu vgl. Leidig, 
S. 20—26; Strutz, 8§.4, 5; Schoen, a. a. O., 
S. 743—770 u. 780—793. Siehe auch die 
Litteraturnachweise bei v. Rönne, St. R. der 
preuß. Monarchie (3. Aufl., Leipzig 1871), II, 
1, S. 525, Anm. 1 u. 8. 
5 v. Raumer, Ülber die pr. St. O., S. 16 ff.
	        
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