366 Dritter Abschnitt. (8. 102.)
III. Die im 8. 39 der Verordnung von 1815 verheißene vollständige Organisation
der Kreisverwaltung erfolgte erst in den zwanziger Jahren. Nachdem die für die ein-
zelnen Provinzen erlassenen Gesetze wegen Anordnung der Provinzialstände v. 1. Juli
1823 (G. S., S. 130, 138 und 146) und 27. März 1824 (G. S., S. 62, 70, 101,
108 und 141) bestimmt hatten, daß die kreisständischen Versammlungen überall da, wo
sie noch bestanden, bis auf weitere Anordnung fortbestehen und, wo sie früher bestanden
hatten, wieder eingeführt werden sollten, wurden die ersten auf Grund dieser Gesetze
berufenen Provinziallandtage zu Vorschlägen über die Einrichtung der Kreisstände auf-
gefordert. Nach diesen Vorschlägen wurden dann für sämtliche Provinzen Kreisordnungen
erlassen, und zwar:
1) für die Kur= und Neumark samt der Niederlausitz am 17. Aug. 1825
(G. S., S. 203) bezw. 18. Nov. 1826 (G. S., S. 110),
2) für Pommern und Rügen am 17. Aug. 1825 (G. S., S. 217),
3) für Sachsen am 17. Mai 1827 (G. S., S. 54),
4) für Schlesien, die Grafschaft Glatz und Oberlausitz am 2. Juni 1827
(G. S., S. 71),
5) für Westfalen und die Rheinprovinz am 13. Juli 1827 (G. S., S. 117),
6) für das Königreich Preußen am 17. März 1828 (G. S., S. 34),
7) für das Großherzogtum Posen am 20. Dez. 1828 (G. S. 1829, S. 3).
Inhaltlich stimmen alle diese Gesetze im wesentlichen überein, sie regelten vorzüglich
die Befugnisse und die Zusammensetzung der Kreisstände, welchen sie die Aufgabe
zuwiesen, „die Kreisverwaltung des Landrats in Kommunalangelegenheiten zu begleiten
und zu unterstützen“. Im einzelnen gestaltete sich nach ihnen die Kreisverfassung
folgendermaßen 12
1) Die Kreisstände, deren Bezirke sich mit den für die staatliche Verwaltung ab-
gegrenzten landrätlichen Kreisen decken sollten, vertraten die Kreiskorporation in allen
den ganzen? Kreis betreffenden Kommunalangelegenheiten ohne Rücksprache mit den
einzelnen Kommunen und Individuen. Sie hatten insbesondere namens der Kreis-
korporation bindende Erklärungen abzugeben und kreisweise aufzubringende Staatsprä-
stationen, deren Aufbringung nicht bereits durch das Gesetz auf eine bestimmte Art
vorgeschrieben war, zu repartieren. Sie waren bei allen Abgaben, Leistungen und Natural-
diensten zu den Kreisbedürfnissen mit ihrem Gutachten zu hören, sie hatten die Rech-
nungen über die zu Kreisbedürfnissen verwendeten Gelder abzunehmen und die ständischen
Beamten zu wählen. 3.“
Die Befugnis zur Erhebung besonderer Kreisabgaben erkannten die Kreis-
ordnungen den Ständen nicht zu; das Besteuerungsrecht und damit das Recht, namens des
Kreisverbandes Schulden zu kontrahieren 3, wurde ihnen erst durch besondere Verordnungen
in den vierziger Jahren eingeräumt.5 Diese enthielten, mit mannigfaltigen Abweichungen
III, S. 305, Anm. 7, und über ältere Vor-
schriften betr. die Qualifikation der Landräte
und die Prüfung der Landratsamtskandidaten,
daselbst, S. 306, u. v. Stengel, Organisation,
S. 91.
1 Vgl. die eingehende Darstellung dieser
älteren Verhältnisse bei v. Rönne, 3. Aufl., I,
2. Abt., S. 545 ff.
: Angelegenheiten, welche nicht den ganzen
Kreis, sondern nur einen gewissen Teil des-
selben berübrten, sollten nicht zur Kompetenz
der Stände gebören, sondern durch die Inter-
essenten selbst oder deren Deputierte behandelt
werden. M. Erl. v. 17. Okt. 1832 (v. Kamptz,
Ann., XVI, S. 949).
* 9§. 2 u. 3 der verschiedenen Kr. Ordugn.
* Durch besondere gesetzliche Bestimmungen
waren den Kreisständen noch einzelne Befug-
nisse beigelegt worden, z. B. die Wahl der
Civilmitglieder der Kreis-Ersatzkommission zur
Ergänzung des stehenden Heeres, die Wahl von
Mitgliedern gewisser Steuerkommissionen, von
Mitgliedern der Kreisvermittelungsbehörden zur
Beförderung gütlicher Vereinigung in Ausein-
andersetzungs-Sachen u. s. w. Vgl. v. Rönne,
a. a. O., S. 547 und 548.
° v. Rönne, a. a. O., S. 549, Anm. 13;
v. Möller, Das Recht der preuß. Kreis= und
Provinzialverbände, S. 100.
* Die Verordnungen sind: a) für die Kur-
u. Neumark Brandenburg u. das Mark-
grafentum Niederlausitz v. 25. März 1841
(G. S., S. 53) u. v. 7. März 1845 (G. S., S. 159);
b) für das Herzogtum Pommern u. das Für-
stentum Rügen v. 25. März 1841 (G. S.,
S. 55); c) für das Großherzogtum Posen v.
25. März 1841 (G. S., S. 58); d) für die Pro-
vinz Sachsen v. 25. März 1841 (G. S., S. 60);
e) für die Provinz Westfalen v. 25. März 1841
(G. S., S. 62); f) für das Herzogtum Schle-
sien, die Grafschaft Glatz u. das Markgrafen-
tum Oberlausitz v. 7. Jan. 1842 (G. S.,