Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Kreisgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Kreisgemeinden. (8. 102.) 367 
untereinander, eingehende Vorschriften über die Zwecke, zu welchen die Stände Ausgaben 
beschließen durften (nur zu gemeinnützigen, im Interesse des ganzen Kreises liegenden 
Einrichtungen und zur Beseitigung eines Notstandes), über die Deckung solcher Ausgaben 
durch Verwendungen aus Kreiskommunalfonds oder durch Aufbringung von Beiträgen 
und Leistungen, über die Einschränkung der Befugnis, den Kreiseingesessenen Lasten auf- 
zuerlegen, und über die Formalitäten (ausführlicher Voranschlag, qualifizierte Mehrheits- 
beschlüsse), unter welchen Beschlüsse betreffend die Besteuerung der Kreiseingesessenen zu 
fassen waren; sie bedurften stets der Bestätigung der Regierung, die durch das Plenum 
zu erteilen war. 
Die Beteiligung der Stände an der Besetzung der Landratsämter bestand 
überall in einem Vorschlagsrecht; sie hatten drei Kandidaten zu präsentieren, aus denen 
der König einen für das erledigte Amt designierte. Berechtigt zur Wahl dieser Kandidaten 
waren a) in der Rheinprovinz, in Westfalen und in Posen in allen Kreisen die 
Kreisversammlungen in ihrer unten zu 2) geschilderten Zusammensetzung — jedoch war 
in Posen das Wahlrecht überhaupt suspendiert und dem Staate vorbehalten 1 —; 
b) in der Provinz Preußen in allen Kreisen allein die Rittergutsbesitzer; c) in den 
Provinzen Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen in einzelnen Kreisen 
die Kreisversammlungen, in anderen allein die Rittergutsbesitzer.? Die Wahlen erfolgten 
nach besonderen Wahlreglements.3 Wählbar waren nur diejenigen Personen, welche 
a) die Befähigung zum höheren Justiz= oder Verwaltungsdienste erlangt oder ein beson- 
ders geordnetes Examen bestanden hatten und b) Grundeigentum im Kreise besaßen; 
Größe und Art des letzteren waren für die einzelnen Provinzen verschieden normiert, 
meistens durfte sich die Wahl außer auf die Rittergutsbesitzer nur auf die Notabelsten 
unter den übrigen ländlichen Grundbesitzern im Kreise richten.“ 
Den Kreisversammlungen in ihrer ordentlichen Zusammensetzung stand endlich die 
Wahl der Kreisdeputierten zu, deren in der Regel zwei in jedem Kreise zur Unter- 
stützung und Stellvertretung des Landrats zu bestellen waren. Wählbar waren ausschließ- 
lich Rittergutsbesitzer, in den westlichen Provinzen in Ermangelung solcher auch andere 
notable ländliche Grundbesitzer. Die Gewählten bedurften der Bestätigung der Regie- 
rung; eine Verpflichtung zur Annahme dieses Ehrenamtes bestand nicht.“ 
2) Die Kreisversammlungen setzten sich nach dem ständischen Prinzip zusammen, 
welches bereits in den neuen Provinzialordnungen jener Zeit durchgeführt war. Nicht 
mehr die Rittergutsbesitzer ausschließlich besaßen die Kreisstandschaft, sondern neben 
ihnen auch die Städte und die Landgemeinden. Allein die Vertretung dieser drei 
sogen. Stände war keine gleichmäßige, der Steinsche Gedanke, daß der Kreistag durch- 
weg aus bezirksweise gewählten Abgeordneten, je einem auf 1000 Seelen, bestehen 
müsse , gelangte nicht zur Anerkennung. Nach allen Kreisordnungen, wie verschieden 
sie auch im einzelnen die Vertretung der Stände regelten, genoß der Großgrundbesitz 
eine unverhältnismäßige Bevorzugung; jeder Besitzer eines landtagsfähigen Rittergutes 
hatte eine Virilstimme, Städte und Landgemeinden konnten sich dagegen nur durch Depu- 
tierte vertreten lassen; abgesehen von den westlichen Provinzen, wo größeren Städten 
auf besonderen Antrag die Absendung mehrerer Deputierten gestattet werden konnte, 
hatten selbst große Städte nur eine Virilstimme, kleine wurden in Preußen und 
Brandenburg sogar zu einer Kollektiv= oder Alternativstimme vereinigt?; alle Land- 
  
S. 33); g) für das Königreich Preußen v. 
22. Juli 1842 (G. S., S. 211); h) für die 
Rheinprovinz v. 9. April 1846 (G. S., S. 
161). — Durch Ges. v. 24. Juli 1848 (G. S., 
S. 192) wurden alle diese Verordnungen für 
aufgehoben erklärt, durch das die Kreis-, Be- 
zirks= u. Provinzialordnung v. 11. März 1850 
aufhebende Ges. v. 24. Mai 1853 (G. S., S. 
238) wurden jedoch, unter Aufhebung des Ges. 
von 1848, alle diese Verordnungen wieder in 
Kraft gesetzt. 
1 Kab. Ordre v. 2. Febr. 1833 (v. Kamptz, 
Ann., XVII, S. 33). Die Suspension wurde 
  
dadurch veranlaßt, daß die Wahlen hier meist 
auf Mitglieder des staatsfeindlichen polnischen 
Adels fielen, die als Landräte unzuverlässig 
waren. 
: v. Rönne, a. a. O., S. 553, 554; Born- 
hack, Gesch., III, S. 58 ff. 
v. Rönne, a. a. O., S. 556 ff. 
" v. Rönne, a. a. O., S. 555. 
* v. Rönne, a. a. O., S. 559 ff. (S. 560, 
Anm. 9); Bornhack, Gesch., III, S.59, 60. 
"* E. Meier, S. 421. 
7 v. Rönne, a. a. O., S. 562 ff.; Born- 
hack, Gesch., III, S. 61 ff.
	        
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