Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

370 Dritter Abschnitt. (8. 103.) 
hoben, die älteren Kreisordnungen, soweit sie mit der Verfassung nicht im Widerspruche 
standen, wieder herstellten, zu ihrer Fortbildung aber provinzielle Gesetze verhießen. 
In Erfüllung dieses Versprechens legte die Regierung noch in demselben Jahre 
auf Grund Allerhöchster Ermächtigung v. 1. Dez. 1853 der Zweiten Kammer acht einzelne 
Entwürfe zu Kreisverfassungen für die einzelnen Provinzen! und gleichzeitig auf Grund 
Allerh. Ermächtigung v. 28. Dez. 1853 der Ersten Kammer acht Entwürfe für die 
Verfassung der einzelnen Provinzen vor. Alle diese Entwürfe modifizierten oder er- 
gänzten die älteren Kreis= und Provinzialordnungen nur in einzelnen Punkten, ohne 
prinzipielle Neuerungen zu bringen; zu einer definitiven Beschlußfassung der Kammern 
über dieselben kam es überhaupt nicht, indem die Staatsregierung sie vorher wieder 
zurückzog.? Bis zum Jahre 1859 ruhte nunmehr die Angelegenheit. Damals ergriff 
der Minister des Innern Graf von Schwerin von neuem die Initiative zu einer wahr- 
haften Reform der Kreisverfassung und legte auf Grund Allerhöchster Ermächtigung v. 
20. März 1860 dem Landtage den Entwurf einer vollständig kodifizierten Kreisordnung 
für die sechs östlichen Provinzen vor.“ Dieser Schwerinsche Entwurf wies 
der weiteren Entwickelung der Kreise die richtige Bahn; er brach nicht ohne weiteres 
mit allem Vorhandenen, wie die Gesetzgebung von 1850, sondern versuchte auf den ge- 
schichtlich gegebenen Grundlagen den Kreis zu einem Selbstverwaltungskörper im modernen 
Sinne zu gestalten. In den Motiven dieses Entwurfs hieß es ausdrücklich, daß er „in 
allen seinen Bestimmungen an die bestehenden Einrichtungen anknüpfe und diese auf- 
recht erhalte, wo ein praktisches Bedürfnis zu ihrer Umgestaltung nicht vorhanden sei; 
wo aber ein solches anerkannt werden müsse, die in dem Bestehenden selbst liegenden 
Keime der Fertbildung zu entwickeln suche, um die vorhandenen Institutionen mit den 
Verhältnissen der Gegenwart und den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Billigkeit in 
Einklang zu bringen“. 
Besonders charakteristisch war diesem Entwurf wie allen späteren Umarbeitungen 
desselben die Beseitigung des Virilstimmrechts wie jeder Bevorzugung der Ritterguts- 
besitzer auf den Kreistagen und die Einführung eines Kreisausschusses zur Mitwirkung 
an der Verwaltung der Kreiskommunalangelegenheiten.3 Einen praktischen Erfolg er- 
zielte Schwerin mit diesem Entwurf zunächst nicht; derselbe war so spät eingebracht 
worden, daß er wegen Schlusses der Session nicht einmal zur Beratung im Plenum 
der Häuser gelangte.“ Der Entwurf wurde unter Berücksichtigung der Beschlüsse des 
Abgeordnetenhauses umgearbeitet, auf sämtliche damaligen Provinzen der Monarchie, 
mit Ausnahme der Hohenzollernschen Lande und der Jadegebiete, ausgedehnt und dann 
auf Grund der Allerhöchsten Ermächtigung v. 11. Jan. 1862 dem Landtage zur Be- 
schlußfafsung anderweitig vorgelegt"; — auch dieser Entwurf gelangte nicht zur Durch- 
beratung, und damit waren die Reformversuche seitens der Regierung einstweilen be- 
endet. Im folgenden Jahre ergriff das Haus der Abgeordneten die Initiative; schon 
im Februar 1863 brachten die Abgeordneten Lette und Genossen den von der Staats- 
regierung 1862 vorgelegten Kreisordnungsentwurf mit geringen Abänderungen als An- 
trag im Abgeordnetenhause eins; er kam wegen Schlusses der Session jedoch wiederum 
nicht zur Beratung im Plenum des Hauses. In der Landtagssession von 1865 brachten 
Lette und Genossen den Kreisordnungsentwurf abermals ein 9; jetzt aber beschloß das 
  
1 Vgl. diese Entw. nebst Motiven in den 
Drucks. der Zweiten Kammer 1853—54, Bd. I, 
Nr. 11—19. 
: Vgl. diese Entw. nebst Motiven in den 
Drucks. der Ersten Kammer 1853—54, Bod. I, 
Nr. 21—29. 
Uber die stattgebabten Verhandlungen vgl. 
die Nachweise bei v. Rönne, Staatsr. d. Preuß. 
Monarchie, 3. Aufl., I, 2. Abt., S. 470, Anm. 3. 
* Vgl. diesen Entw. nebst Motiven in den 
Drucks. des A. H. 1860, Bd. III, Nr. 149, und 
in den Stenogr. Ber. des A. H. 1860, Bd. V, 
S. 1381 ff. 
* Vgl. über diesen Entw. und die sich ihm 
  
anschließenden Eutwürfe v. Stengel, Organi- 
sation, S. 140 ff. 
* v. Rönne, a. a. O., S. 471, Anm. 1. 
*Vgl. diesen Entw. nebst Motiven in den 
Drucks. des H. H. 1862, Bd. 1. Nr. 8, und die 
Erklärung des Ministers Grasen v. Schwerin 
bei der Einbringung in den Stenegr. Ber. des 
H. H., Bd. I. S. 19—21. 
* Vgl. diesen Entw. in den Drucks. des A. H. 
1863, II. Session, Bd. II, Nr. 60, u. Stenogr. 
Ber. des A. H. 1863, Bd. III, Nr. 48, S. 178 ff. 
° Drucks. des A. H. 1865, Nr. 77: Stenogr. 
Ber., 1865, Anl., Bd. V, Nr. 77, S. 639 ff.
	        
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