402 Dritter Abschnitt. (8. 115.)
stattfinden. Für das Streitverfahren kann der Kreisausschuß einen besonderen Vertreter
bestellen. Auch können die Ausschußmitglieder jederzeit aus Gründen, welche die Ent-
fernung eines nichtrichterlichen Beamten aus seinem Amte rechtfertigen, im Wege des
Disziplinarverfahrens ihrer Stellen enthoben werden.1,? Ein Recht auf vorzeitige Ent-
bindung von seinem Amte hat — abgesehen von Posen, wo eine Verpflichtung wie
zur Übernahme so auch zur Weiterführung von Kreisämtern nicht besteht — nur das-
jenige Mitglied des Kreisausschusses, welches seine Stelle drei Jahre hindurch inne hat,
oder welchem ein gesetzlicher Ablehnungsgrund zur Seite steht.
b) Die Verhandlungen des Kreisausschusses.
Der Kreisausschuß versammelt sich, so oft die Geschäfte es erfordern; er wird
vom Landrat berufen, der den Vorsitz mit vollem Stimmrechte führt. Bei Behinderung
des Landrats geht der Vorsitz auf seinen Stellvertreter über; ist dies aber wegen eines
nur vorübergehenden Behinvderungsfalles der Kreissekretär, so führt nicht dieser, sondern
ein vom Ausschusse zu wählendes Mitglied den Vorsitz."“ In Hohenzollern geht der
Vorsitz im Amtsausschusse, wenn der Oberamtmann verhindert und im übrigen durch
den Oberamtssekretär vertreten wird, auf einen von der Regierung zu bezeichnenden
Oberamtmann eines benachbarten Bezirks über.“
Zur Beschlußfähigkeit" des Ausschusses genügt die Anwesenheit? dreier Mitglieder
mit Einschluß des Vorsitzenden.
Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt.
Ist eine gerade Zahl von Mitgliedern anwesend, so nimmt das dem Lebensalter nach
jüngste gewählte Mitglied an der Abstimmung keinen Anteil.#
Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mitglieder des Ausschusses oder
deren Verwandte und Verschwägerte in auf= oder absteigender Linie oder bis zum dritten
Grade der Seitenlinie, so dürfen dieselben an der Beratung und Entscheidung nicht
1 Kr. O. ö., §. 133; w. u. rh., W
8. 90; -nass., §. 91; schlesw. *7 121:
) u. 2. O ., 8. 42 für Posen Ges. v. n. Mai
1889, Art. IV, F§P. 3.
* Für das Digziplinarverfahren gelten die
Vorschriften des Gesetzes v. 21. Juli 1852 mit
folgenden Maßgaben: Die Einleitung des Ver-
fahrens sowie die Ernennung des Untersuchungs-
kommissars erfolgt durch den Regierungspräsi-
denten. Entscheidende Behörde erster Instanz
ist der Bez. A., entscheidende Behörde zweiter
Instanz das Plenum des O. V. G. Der Ver-
treter der Staatsanwaltschaft wird für die erste
Instanz vom Regierungspräsidenten, für die zweite
Instanz vom Minister des Innern ernannt.
Vgl. die in vorangehender Anm. cit. §§., ferner
L. V. G., §. 39, und O. V. G., XXV, S. 419,
wo auch ausgeführt ist, daß Ordnungsstrafen
(Warnungen, Verweise und Geldstrafen) gegen
Kreisausschußmitglieder als solche nicht verhängt
werden können.
* Vgl. oben S. 380; v. Brauchitsch, II,
S. 157, Anm. 416.
4 Kr. O. ö., s. 136, Abs. 2; w. u. rh., §. 80,
Abs. 2; hann., §. 92, Abs. 2; hefs.-nass., §. 93,
Abs. 2; schlesw. holst., §. 123, Abs. 2; für Posen
Ges. v. 19. Mai 1889, Art. 1V, §. 4. Ist für die
Verwaltung eines Landratsamtes überhaupt von
der Regierung ein Kommissar bestellt, so führt
dieser auch den Vorsitz im Kr. A.- Vgl. oben
S. 394, Anm. 6. — Ist bei längerer Verhinde-
rung des Landrats ein Kreisdeputierter mit der
vollen Vertretung des Landrats beauftragt (val.
v. Brauchitsch, II, S. 122, Anm. 288), so
hat dieser den Landrat auch im Vorsitz in dem
Kr. A. zu vertreten. Ist dagegen wegen nur
vorübergehender Verhinderung der Kreissekretär
mit der Wahrnehmung der landrätlichen Ge-
schäfte betraut, so kommt diesem nicht auch
die Vertretung des Landrats im Vorsitze zu.
v. Brauchitsch, II, S. 160, Anm. 428, und
M. Erl. v. 15. Okt. 1874 (V. M. Bl., S. 258).
Vgl. auch unten S. 406 unter c.
5 A. u. L. O. bohenz., §. 44, Abs. 2 u. 3.
* Alle hier mitgeteilten Vorschriften über das
Verfahren vor den Kreisausschüssen gelten, wie
noch besonders hervorgehoben werden mag, nur
für das Verfahren in Kreiskommunalangelegen-
heiten. Das Verfahren vor dem Kr. A. in
Angelegenbeiten der allgemeinen Landesverwal-
tung ist im L. V. G., und zwar in einzelnen
Punkten abweichend, geregelt.
7 Eine Beschlußfassung des Kr. A. durch Ab-
gabe schriftlicher Voten seitens der nicht ver-
sammelten Kreisausschußmitglieder ist unzu-
lässig. O. V. G., XIX, S. 4.
* Kr. O. ö., S. 138; w. u. rh., §. 82; hann.,
* 94; bess. nass., §. 95; schlesw. holst., 's. 125;
. u. L. O. bobenz., §. 46, Abs. 1 u. 2. vgl.
V. G., §. 40 letzter Satzt
* Wird aber der Vorsitz im Kr. A. nicht von
dem Landrat oder dem Stellvertreter desselben,
sondern von einem gewählten Kreisausschuß-
mitgliede geführt, und ist dieses das dem
Lebensalter nach jüngste Mitglied, so scheidet
nicht dieses, sondern das nächstjüngste Mitglied
bei der Abstimmung aus, da mit dem Vorsitz
immer volles Stimmrecht verbunden ist. M.
Erl. v. 15. Sept. 1878 (B. M. Bl., S. 238).