Kreisgemeinden; das geltende Recht. (8. 121.) 415
Grund-, Gebäude= und die Gewerbesteuer der Klassen 1 und II in der Regel mit dem
gleichen Betrage desjenigen Prozentsatzes heranzuziehen, mit welchem die Staatseinkom-
mensteuer belastet wird". Darin liegt zugleich ausgesprochen, daß von den drei erst-
genannten Steuern stets ein gleicher Prozentsatz zu erheben 1, und daß die Freilassung
einer dieser Steuern wie auch die der Staatseinkommensteuer überhaupt nicht gestattet
ist.? Mit Genehmigung des Bezirksausschusses kann jedoch der Betrag, mit welchem
die Realsteuern heranzuziehen sind, bis auf das Anderthalbfache des von der Einkommen-
steuer zu erhebenden Prozentsatzes erhöht oder bis auf die Hälfte desselben herabgesetzt
werden.s Die Gewerbesteuer der Klassen III und IV kann dagegen auch ohne Geneh-
migung von der Heranziehung ganz freigelassen, darf aber keinesfalls mit einem höheren
Prozentsatze als die Grund= und Gebäudesteuer herangezogen werden." Die Gewerbesteuer
vom Hausiergewerbe ist stets von der Heranziehung ausgeschlossen.3* Personen, welche
ein Einkommen von nicht mehr als 900 Mark haben unr daher von der Staatsein-
kommensteuer befreit sind, sind zur Kreiseinkommensteuer in der Weise heranzuziehen, daß
von ihnen Zuschläge zu den gemäß §§. 74 und 75 des Einkommensteuergesetzes v.
24. Juni 1891 für sie festgestellten fingierten Normalsteuersätzen von 1 Mark 20 Pfo.,
2 Mark 40 Pf. und 4 Mark erhoben werden. Diese Personen können jedoch, wenn
die Deckung des Kreisbedarfs ohne ihre Heranziehung gesichert ist, von der Beitrags-
pflicht entbunden oder mit einem geringeren Prozentsatze als das höhere Einkommen
herangezogen werden; ihre Freilassung muß erfolgen, sofern sie im Wege der öffent-
lichen Armenpflege fortlaufende Unterstützung erhalten.
Soweit nach dem Vorangehenden nicht Ausnahmen ausdrücklich gestattet sind, muß
innerhalb der einzelnen Steuer der Zuschlag alle Klassen und Stufen gleichmäßig treffen.
Es muß also z. B. von der Klasse III der Gewerbesteuer stets derselbe Prozentsatz er-
hoben werden wie von der Klasse IV, auch muß von den vom Kreisausschusse fingiert
veranlagten Prinzipalsteuersätzen derselbe Zuschlag wie von den staatlicherseits veranlagten
erhoben werden.?
Eine besondere Vorschrift gilt noch für die Verteilung der Kreisabgaben, welche für
Verkehrsanlagen erhoben werden.
Zu diesen kann der Kreistag die Grund= und
Gebäudesteuer, sowie die von dem Gewerbebetriebe auf dem platten Lande aufkommende
§. 7. Das in dem übrigen Gebiete der preuß.
Monarchie geltende direkte Staatssteuersystem ist
in Hohenzollern noch nicht eingeführt. Vgl.
oben S. 238.
1 Friedrichs, S. 15, Z. 4b; M. Erl. v.
10. Juni 1874 (V. M. Bl., S. 155; auch abgedr.
bei v. Brauchitsch, 1II, S. 358).
: Friedrichs, S. 14, 3. 3.
* K. A. G., F§. 91, Z. 2. Abs. 1 u. 2. Da-
durch ist Kr. O., §. 10, Abs. 2, Satz 1 abge-
ändert, wo es heißt: „Die Grund-, Gebäude-
und die von dem Gewerbebetriebe auf dem
platten Lande aufkommende Gewerbesteuer der
Klasse Al ist hierbei mindestens mit der Hälfte
und höchstens mit dem vollen Betrage des-
jenigen Prozentsatzes beranzuziehen, mit welchem
die Klassen= und klassifizierte Einkommensteuer
belastet wird.“ Die durch das K. A. G. angeord-
nete prinzipiell stärkere Heranziehung der Real-
steuer beruht auf dem Grundgedanken der
ganzen neuen Steuerreform, die Staatsein-
kommensteuer mit kommunalen Zuschlägen mög-
lichst wenig zu beschweren. Vgl. oben §§. 63 u.
64 und Mot. z. K. A. G., S. 70: „Vom Stand-
punkte der Staatssteuerreform muß Wert dar-
auf gelegt werden, daß die Belastung der Staats-
einkommensteuer mit Zuschlägen auf dem Ge-
biete der Kreissteuern nicht unvermindert fort-
bestehe.“
Kr. O., §. 10, Abs. 2, Satz 2. Diese Vor-
schrift ist durch das K. A. G. nicht berührt.
Strutz, Komm. z. K. A. G., S. 89, Anm. 10;
Ausf. Anw. z. K. A. G., Art. 59, Z. 2, Abs. 4;
Stenogr. Ber. des A. H. 1892/93, S. 2192, 2194.
Kr. O., §. 10, Abs. 2, Satz 3.
* Auch in Hohenzollern ist die Heran-
ziehung der Hausiergewerbesteuer, der einzigen
hier eingefübrten neueren preuß. Steuer, aus-
geschlossen. Was die Verteilung des Amts-
abgabensolls auf die übrigen Steuern anlangt,
so sind die Kapital- und die Dienstertrags-
steuern mit der Hälfte desjenigen Prozentsatzes
heranzuziehen, mit welchem die Grund-, Ge-
bäude-, Gefäll= und Gewerbesteuer belastet
werden.
7 Kr. O., S. 10, Abs. 3; Eink. St. G., S. 74.
Primär gelten diese Personen übrigens als kreis-
steuerfrei, ihre Heranziehung nach obigen Vor-
schriften setzt einen besonderen Beschluß des
Kreistages voraus. Auch ist zu bemerken, daß
nur physische Personen mit einem Einkommen
von nicht mehr als 900 Mark, nicht auch (wie
zu den Gemeindesteuern, oben S. 284, Anm. 4)
sonstige Steuerpflichtige, welche wegen eines gleich-
geringen Einkommens von der Staatseinkommen-
steuer befreit sind, nach obigen Grundsätzen zu
den Kreisabgaben herangezogen werden können.
Vgl. v. Brauchitsch, II, S. 33, Anm. 57, 58,
und die daselbst cit. M. Erlasse.
*Friedrichs, S. 15, 3Z. 5.
"v. Brauchitsch, II, S. 33, Anm. 55;
O. V. G., VI, S. 60.