Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Dritter Abschnitt. (§. 121.) 
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Gewerbesteuer der Klassen 1 und II innerhalb der gesetzlichen Grenzen! mit einem höheren 
Prozentsatze als zu den übrigen Kreisabgaben heranziehen und Personen mit einem Ein- 
kommen von nicht mehr als 900 Mark von der Heranziehung ganz freilassen oder mit 
einem geringeren Prozentsatze heranziehen.? 
Der Abgabenverteilung sind nach den Kreisordnungen die „Zu entrichtenden“ direkten 
Staatssteuern zu Grunde zu legen, d. h. zweifellos die Staatssteuern des laufenden 
Jahres, nicht die eines oder mehrerer Vorjahre, nur erstere kann bezw. konnte die Kreis- 
ordnung „zu entrichtende“ nennen. Auch müssen die Zuschläge nach dem Soll- 
Aufkommen berechnet werden, es kann mit der Veranlagung nicht gewartet werden, bis 
das Ist-Aufkommen feststeht."¾ Dem Umstande, daß auch das Staatssteuersoll nicht durch 
die Veranlagung unbedingt festgestellt wird, sondern nachträglich im Reklamationsverfahren 
Berichtigungen erfahren kann, der Verteilung der Kreisabgaben natürlich aber nur das 
richtige Staatssteuersoll zu Grunde gelegt werden darf, trägt jetzt eine ausdrückliche 
Vorschrift des Kommunalabgabengesetzes Rechnung: Jede auf Grund der Einlegung von 
Rechtsmitteln erfolgte Erhöhung oder Ermäßigung der Staatssteuersätze zieht die ent- 
sprechende Abänderung der Veranlagung zu den Kreissteuern nach sich, und diese ist 
durch den Kreisausschuß von Amts wegen herbeizuführen, selbst wenn die Reklamations- 
frist für Kreisabgaben bereits abgelaufen ist.“ 
III. Eine Mehr= oder Minderbelastung einzelner Kreisteile ist bei Kreiseinrichtungen 
gestattet, welche wie z. B. Chausseen, Eisenbahnen, Krankenanstalten u. s. w., in besonders 
hervorragendem oder in besonders geringem Maße diesen Kreisteilen zu gute kommen. 
lber die Frage, ob eine Anlage zu dieser Kategorie von Kreiseinrichtungen gehört, ent- 
scheidet zunächst der über die Mehr= oder Minderbelastung beschließende Kreistag, sodann 
aber auch der Minister des Innern, von dessen Zustimmung die Gültigkeit dieses Be- 
schlusses abhängt. Unter „Kreisteilen“, für welche die Mehr= oder Minderbelastung 
eintreten kann, sind nach dem allgemeinen Sprachgebrauche geographisch abgegrenzte Be- 
zirke des ganzen Kreisterritoriums zu verstehen, ob diese Bezirke sich räumlich mit den 
Gemeinde= und Gutsbezirken decken, scheint nach dem Wortlaute des Gesetzes gleichgültig. 
Haben mehrere Kreisteile von einer Einrichtung besonderen Nutzen, die einen aber in 
höherem Grade als die anderen, so kann für die einen eine stärkere Mehrbelastung als 
für die anderen beschlossen werden, „der Kreistag kann Interessentenklassen aufstellen, in 
welche die einzelnen Kreisteile eingereiht werden, und deren Beiträge sich in Gemäßheit 
der Größe des zu erwartenden Vorteils nach Prozentsätzen abstufen.““ Innerhalb des 
einzelnen der Mehrbelastung unterworfenen Kreisteiles muß — gemäß dem der Kreis- 
ordnung zu Grunde liegenden Prinzipe der gleichmäßigen Heranziehung der Kreis- 
angehörigen nach einem ein für allemal feststehenden Verteilungsmaßstabe — die Mehr- 
belastung aber alle Steuerpflichtigen gleich treffen, unstatthaft ist daher die Mehrbelastung 
einzelner Klassen von Pflichtigen oder die vom Kreisabgabenmaßstabe abweichende Voraus- 
belastung einzelner Gattungen der direkten Staatssteuern.' Den Maßstab für die Mehr- 
oder Minderbelastung hat der Kreistag zu bestimmen, sie wird besonders erfolgen 
können nach Qnoten der für die betreffende Kreiseinrichtung aufzubringenden Abgaben oder 
nach Quoten des RKostenbedarfs, auch wird es zulässig sein, einen festen Jahresbetrag 
  
  
nur auf Einrichtungen, welche der Kreistag erst 
1 Diese sind jebt gezogen durch §. 10 der Kr. O. 
und §. 91 des K. A. G. Sofern eine Abweichung 
von der in Z. 2, Abs. 1 des letztgenannten §. 
enthaltenen Regel beschlossen wird, ist nach Abs. 2 
eod. auch hier Genehmigung des Bez. A. not- 
wendig. Vgl. vorangebende Seite, Tert zu Anm. 3. 
2 Kr. O., §. 12, Abs. 1, u. dazu Friedrichs, 
II, S. 30. 
* O. V. G., VII, S. 115; IX, S. 1; X, 
S. 5: XI, S. 1: M. Erl. v. 16. Aug. 1883 
(V. M. Bl., m 513 Priedrichs, . 17, „Z. 8. 
O. V. G. F; Friedrichs, S. 18, 
Z. 10; jetzt K. . 3 's. 91, Abs.2; Auef. 
Anw. dazu Art. 59, II. 
: Kr. O., §. 13. Derselbe bezieht sich nicht 
nach Emanation der Kr. O. beschließt, sondern 
auch auf solche, die damals dereits vorhanden 
waren. O. V. G., VII, S. 149. Unter „Kreis- 
einrichtungen“ sind nicht nur vom Kreise selbst 
ausgehende Veranstaltungen zu versteben, son- 
dern auch Unternehmen eines Dritten, an denen 
der Kreis sich durch Zuschüsse beteiligt, wie 
Eisenbahn= oder Chausseebauten Privater) . 
V. G., XII, S. 27; Friedrichs, S. . 
3. Lu. 2. 
*Friedrichs, E. : 25 ff., Z. 4 u. 5. 
*Friedrichs, S. 25, 3. 34; M. Erl. v. 
1. Nov. 1879 (V. M. Bl., 1880, S. 11), Z. 3, 
u. M. Erl. v. 31. Okt. 1873 (V. M. Bl., S. 3321. 
 
	        
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