Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Provinzialgemeinden; das geltende Recht. (8. 132.) 447 
d) Die Zuständigkeit des Provinzial-Kommunal-)Landtages. 
Der Landtag ! nimmt in der Provinz (dem Bezirk) dieselbe Stellung ein wie der 
Kreistag im Kreise. Seine gesetzmäßig zu stande gekommenen Beschlüsse sind Willens- 
erklärungen des von ihm vertretenen Kommunalverbandes und haben teils den Charakter 
von Gutachten, teils den von bindenden Entscheidungen. 
Lediglich Gutachten hat der Provinziallandtag abzugeben über diejenigen die Pro- 
vinz betreffenden Gesetzentwürfe sowie sonstigen Gegenstände, welche ihm zu diesem Ende 
von der Staatsregierung überwiesen werden. Eine entscheidende Beschlußfassung steht 
ihm dagegen über die Angelegenheiten des Provinzialverbandes sowie über diejenigen 
Gegenstände zu, welche ihm bereits zur Zeit der Emanation der betreffenden Provinzial- 
ordnungen durch Gesetze oder königliche Verordnungen überwiesen waren oder nach der- 
selben durch Gesetz überwiesen sind und fernerhin noch überwiesen werden. Insbesondere 
hat er nach den Provinzialordnungen zu beschließen über: 1) Erlaß von Statuten und 
Reglements; 2) Art und Weise der Aufbringung von Staatsprästationen, sofern diese 
nicht schon gesetzlich geregelt ist; 3) Ausgaben zur Erfüllung von Verpflichtungen oder 
im Interesse der Provinz (wobei er im einzelnen über die Verwendung der dem Pro- 
vinzialverbande überwiesenen Jahresrenten und Fonds nach näherer Vorschrift der Do- 
tationsgesetze, über die Verwendung der Einnahmen aus sonstigem Kapital= und Grund- 
vermögen des Provinzialverbandes, über die Verwendung des Kapitalvermögens selbst, 
über die Aufnahme von Anleihen, die Übernahme von Bürgschaften und die Ausschreibung 
von Provinzialabgaben zu befinden hat); 4) Veräußerungen von Immobiliarvermögen, 
soweit diese Befugnis nicht, was zulässig ist, für Grundstücke geringeren Wertes durch 
Provinzialstatut dem Provinzialausschusse übertragen ist; 5) formelle Einrichtung der 
Finanzverwaltung (Feststellung des Haushaltsetats und Entlastung der Jahresrechnungen), 
die Grundsätze der ganzen Provinzialverwaltung und die Einrichtung und Dotierung 
der Provinzialämter; 6) Anträge und Beschwerden an die Staatsregierung, welche die 
Provinz oder einzelne Teile derselben betreffen; 7) endlich vollzieht der Landtag die 
Wahlen zu Provinzialämtern nach Maßgabe der Provinzialordnung, sowie die Wahlen 
zu gewissen für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten Behörden und 
Kommissionen nach Maßgabe besonderer Gesetze. "“ 
  
1 Prov. O., §§. 34—44. Darüber, welche 
Befugnisse in Hessen-Nassau dem Provinzial- 
landtage und welche den beiden Kommunalland- 
tagen zustehen, vgl. folgende Anm. 4. 
: Eine Verpflichtung der Staatsregierung 
zur Anhörung des Provinziallandtages vor dem 
Erlasse eines Provinzialgesetzes besteht natürlich 
nicht. Sie hätte durch die Provinzialordnungen 
ohne Verletzung der Verfassung auch nicht ein- 
geführt werden können, indem nach letzterer 
auch das Zustandekommen territorial begrenzter 
Gesetze an keine weiteren Bedingungen als an 
die Ubereinstimmung des Landtages und der 
Krone geknüpft werden kann. Vgl. Motive zu 
8. 34 des Entw. der Prov. O. ö., mitgeteilt bei 
v. Brauchitsch, II, S. 213, Anm. 43. 
* Alle diese Wahlen erfolgen nach den den 
Prov. Ordugn. beigegebenen Reglements (vgl. 
vorige Seite unter Nr. V). — Für Zwecke der 
allgemeinen Landesverwaltung wählt der Provin- 
ziallandtag Mitglieder bezw. Abgeordnete: 1) zur 
Mitwirkung und Kontrolle bei den Geschäften 
der Rentenbankdirektionen, §§. 5 u. 47 des Ges. 
v. 2. März 1850 (G. S., S. 112); M. Erl. 
v. S. Aug. 1854; Allerh. Erl. v. 26. Okt. 1869 
(B. M. Bl., S. 275); M. Erl. v. 25. März 
1876 (V. M. Bl., S. 99); 2) zur Oberersatzkom- 
mission, §. 30 des R. Milit. Ges. v. 2. Mai 
1874 (R. G. Bl., S. 45); 3) zur Kommission für 
  
Verteilung von Landlieferungen, §. 19, Abs. 2 
u. 3 des R. G. v. 13. Juni 1873 (R. G. Bl., 
S. 129); M. Erl. v. 23. März 1880. 
* In der Provinz Hessen-Nassau liegt 
die Beschlußfassung über die oben unter 1—6 
bezeichneten Angelegenheiten principiell den bei- 
den Kommunallandtagen, und zwar natür- 
lich jedem nur für seinen Bezirk ob. Von den 
unter 7 bezeichneten Wahlen haben die Kom- 
munallandtage nur die zu den Landesausschüssen 
und zu den Kommissionen für Zwecke der Be- 
zirksverwaltung vorzunehmen. (§8. 32 —41 der 
Prov. O. hess.-nass.) Der Provinziallandtag 
hat hier dagegen, abgesehen von der Begut- 
achtung staatlicher Gesetzentwürfe, zu beschließen: 
1) über die Aufbringungsweise von Staats- 
prästationen, die von dem Provinzial (nicht 
Bezirks-, Verbande aufzubringen sind; 2) über 
die Vollziehung der Wahlen zu den für Zwecke 
der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten 
Behörden und Kommissionen; 3) über diejenigen 
Gegenstände, welche ihm durch Gesetz oder königl. 
Verordnungen oder durch übereinstimmen- 
den Beschluß der beiden Bezirksver- 
bände überwiesen werden. Diesbezügliche Be- 
schlüsse der beiden Kommunallandtage bedürfen 
der Genehmigung des Ministers des Innern 
(§. 86, Z. 4, u. §. 42 der Prov. O. hess.-nass.).
	        
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