Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

460 Bierter Abschnitt. (S. 138.) 
steht die gleiche Befugnis den Vertretungen der Bezirks verbände zu. Diese können durch 
ihre Beschlüsse alle geeigneten Gegenstände zu Bezirksangelegenheiten machen; die hessen- 
nassauische Provinzialgemeinde kann dagegen ihren Wirkungskreis von sich aus nicht 
beliebig erweitern, denn der Provinziallandtag kann hier nur über diejenigen Gegenstände 
beraten und beschließen, welche ihm durch Gesetz, königliche Verordnung oder durch über- 
einstimmenden Beschluß der beiden Bezirksverbände überwiesen werden. 1 
Ebenso wie für die Kreise gilt aber auch für die Provinzen der Grundsatz, daß sie 
nur solche Aufgaben zu den ihrigen machen dürfen, deren Erfüllung keine übermäßigen 
Anforderungen an die Steuerkraft der Pflichtigen stellt, und die Provinzialordnungen 
suchen ebenso wie die Kreisordnungen einer Überlastung der Steuerpflichtigen dadurch 
vorzubeugen, daß sie neue Belastungen des Provinzialverbandes ohne gesetzliche Ver- 
pflichtung, sofern die aufzulegenden Leistungen über die nächsten fünf Jahre hinaus fort- 
dauern sollen, von ministerieller Genehmigung abhängig machen.= 
Hier können nur einzelne Angelegenheiten hervorgehoben werden, deren Verrichtung 
den Provinzial-(Bezirks-) Gemeinden nach gesetzlicher Vorschrift obliegt. Dahin gehört, 
abgesehen von der Verwaltung des Finanzwesens der Provinzen (Bezirke), welche im 
folgenden §. darzustellen ist, insbesondere: die Verwaltung derjenigen Fonds, Anstalten 
und Institute, welche sie als Rechtsnachfolger der früheren provinzialständischen oder 
kommunalständischen Verbände überkommen haben 3; die Verwaltung der Landarmen- 
ver bände und die Errichtung und Erhaltung geeigneter Anstalten für die Unterbringung 
der hilfsbedürftigen Geisteskranken, Idioten, Epileptischen, Taubstummen und Blinden 
nach Maßgabe des Gesetzes v. 8. März 1871 (G. S., S. 130) und des Gesetzes v. 
11. Juli 1891 (G. S., S. 300)" ; die Errichtung von Landeskulturrentenbanken 
nach rem Gesetz v. 13. Mai 1879 (G. S., S. 367); die Sorge für die Unter- 
  
1 Prov. O., hbess.-nass., §5. 86, Z. 4, IV. tum Lauenburg bilden für sich Landarmenver- 
* Prov. O., §. 119, 3. 5; hess.-nass., §. 92, bände. — Die Landarmenverbände werden da, 
Z. 5; A. u. L. O. hohenz., §. 80, Z. 6. Vgl. wo sich ihr Bezirk mit dem des Provinzial= 
auch unten S. 463, Z. 1, d. « verbandes deckt, durch die Organe des letzteren 
2 Prov. O. ö., 88. 125 u. 128, u. Prov. O. verwaltet. Ihre Angelegenheiten erscheinen jedoch 
hann., Tit. IV, Art. II, Abs. 1; Prov. O. w., nicht als gewöhnliche Provinzialangelegenheiten; 
rh. u. schlesw.-holst., §. 123, Abs. 1. In die die Aufbringung der Kosten zur Erfüllung der 
Prov. O. hefs.-nass. brauchte eine ähnliche Be= Verpflichtungen des Landarmenverbandes ist in 
stimmung nicht aufgenommen zu werden, da den 88. 29 u. 70 des Ges. v. 8. März 1871 
diese ja die beiden älteren kommunalständischen und in 8. 44, Z3. 2 des Zust. G. besonders ge- 
Verbände bestehen ließ. Die Verwaltungsange= regelt. Die Aufbringung der Landarmenbeiträge 
legenheiten, welche von den früheren provinzial= als Provinzialabgaben und die Übernahme der- 
oder kommunalständischen Verbänden besorgt selben auf den Provinzialhausbaltsetat ist an die 
wurden, sind oben S. 432 mitgeteilt. DazuäGenehmigung der Minister des Innern u. der 
tritt noch die Mitwirkung und Kontrolle der Finanzen gebunden. — Sovweit der Provinzial- 
Provinzialvertretung bei den Rentenbankange= verband nicht selbst einen Landarmenverband 
legenheiten der betr. Provinz nach dem Ges.ildet, ist er wenigstens zur Unterstützung der 
v. 2. März 1850 (G. S., S. 112), §§. 5 u. 47, in ihm befindlichen Landarmenverbände ver- 
und dem Reglement der Minister für landd. pflichtet. §. 4, Z. 3—5 des Dot. G. v. 8. Juli 
Angelegenh. u. der Finanzen v. 8. Aug. 1854. 1875. Als Landarmenverbände tragen die Pro- 
Gegenwärtig decken sich die räumlichen vinzen die Kosten des Korrigendenwesens ge- 
Bezirke der Landarmenverbände von West= mäß §. 38 des Ges. v. 8. März 1871. 
preußen, Brandenburg, Pommern, * Nach dem Ges. v. 20. Mai 1887 (G. S., 
Sachsen, Hannover, Westfalen, Rhein. 189) bilden die Provinzen auch die Bezirke 
provinz, Posen, Schleswig-Holstein, Ler für die Unfall= und Krankenversicherung der 
Kassel, Wiesbaden, den Hobenzollern= land= und forstwirtschaftlichen Arbeiter einzu- 
schen Landen mit den räumlichen Bezirken richtenden Berufsgenossenschaften, und die Pro- 
der gleichnamigen Kommunalverbände. In Ost= vinzialausschüsse können mit den Funktjonen des 
preußen bildet jeder Kreis für sich einen Land.Genossenschaftsvorstandes betraut werden. Ebenso 
armenverband; für einzelne bestimmte Zwecke bilden nach der M. Bek. v. 17. März 1890 
bildet aber auch hier die ganze. Prorinz den (V. M. Bl., S. 120) unter C die Provinzen 
Landarmenverband; vgl. v. Brauchitsch, Il,die Bezirke für die zur Durchführung der In- 
S. 629, Anm. zu §. 28 des Ausf. Ges. z. R. G. waliditäts= und Altersversicherung errichteten Ver- 
über den Unterstützungswohnsitz v. 8. März 1871¼ sicherungsanstalten. Damit ist jedoch die Unfall- 
u. Ges. v. 11. Juli 1891 (G. S., S. 300), Art. L, und Krankenversicherung und ebenso die In- 
§. 31. Die Provinz Schlesien bildet mit Aus= validitäts= und Altersversicherung noch nicht zur 
schluß der Stadt Breelau einen Landarmenver- ligentlichen Provinzialangelegenheit geworden. 
band. Breslau, Berlin und der Kreis Herzog- 
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