Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

40 Zweiter Abschnitt. (8. 10.) 
bilden sollte, wie sie andererseits die durch diese geschaffenen Einrichtungen zur Voraus- 
setzung hatte. 
Der Entwurf schloß sich in den ersten Titeln eng an die bestehenden Verhältnisse 
an, als wesentliche Abweichungen sind nur zu konstatieren: Die Wahl der Stadtver- 
ordneten erfolgt mittels Stimmzettel, statt im Wege der mündlichen Abstimmung (8. 35). 
Das Erfordernis, daß die Stadtverordnetenversammlung mindestens zur Hälfte aus 
Hausbesitzern bestehe, ist weggefallen. Das Bestätigungsrecht der Staatsregierung wird 
nur für die Stelle der Bürgermeister und der Beigeordneten vorbehalten (§. 49). In 
allen Stadtgemeinden — nicht wie nach der Städteordnung von 1853 nur in denen 
mit 2500 und weniger Einwohnern — kann statt des Magistratskollegiums der Bürger- 
meister allein den Gemeindevorstand bilden (§. 55). — Auf durchgreifend veränderter 
Grundlage beruhen dagegen die Titel IX und X des Entwurfs von der Staatsaussicht 
und dem Verwaltungsstreitverfahren. Der Entwurf stellt diejenigen Fälle zusammen, 
in denen die Entscheidung fortan nicht durch Beschluß der Regierung, sondern in dem 
durch das Gesetz v. 3. Juli 1875 geordneten Verwaltungsstreitverfahren erfolgen soll. 
Dahin gehören insbesondere Streitsachen über den Besitz des städtischen Bürgerrechts, 
über das Wahlverfahren, über das Recht und die Pflicht zur Teilnahme an den Ge- 
meindenutzungen und -lasten, Streitigkeiten zwischen Magistrat und Stadtverordneten- 
versammlung über die Auslegung des Gesetzes, die gegenseitige Zuständigkeit u. s. w., 
Disziplinarsachen und Zwangsetatisierungsangelegenheiten. Eine Reihe von Kommunal= 
angelegenheiten ist der Beschlußfassung des Bezirksrats überwiesen. Gegen die Be- 
schlüsse des Bezirksrats findet die Beschwerde an den Provinzialrat statt, und gegen die 
Beschlüsse des Provinzialrats ist, wenn es sich um Streitigkeiten zwischen den beiden 
städtischen Kollegien oder dem Bürgermeister und einem derselben handelt, die Klage beim 
Oberverwaltungsgericht insoweit zulässig, als Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung 
des bestehenden Rechtes behauptet wird. Abgesehen von diesen Fällen wird im Titel IX 
dem Regierungspräsidenten, in höherer und höchster Instanz dem Oberpräsidenten und 
dem zuständigen Minister die Aufsicht über die Verwaltung der städtischen Gemeinde- 
angelegenheiten und der örtlichen Polizei übertragen; und zwar ist der Regierungspräsident bei 
Ausübung des Aufsichtsrechtes an die beschließende Mitwirkung des Bezirksrats, der 
Oberpräsident an die des Provinzialrats gebunden, soweit es sich darum handelt, das 
Selbstbestimmungsrecht der städtischen Behörden innerhalb des ihnen an und für sich 
zugewiesenen kommunalen Wirkungskreises zu beschränken oder an deren Stelle von 
Aufsichts wegen zu beschließen. 
Zum Gesetz ist dieser Entwurf nicht geworden. Das Abgeordnetenhaus verlangte 
wesentliche Abänderungen. Seine Reformvorschläge richteten sich im allgemeinen auf 
Erweiterung der Befugnisse der Stadtverordneten, Beschränkung der Befugnisse des Bürger- 
meisters und anderweite Regelung der Ortspolizei. Es wollte ferner die Wahl nach 
dem Dreiklassensystem so modifizieren, daß die erste Klasse mindestens ein Zwölftel, die 
zweite mindestens zwei Zwölftel der Wahlberechtigten umfassen sollte.) Das Wahlrecht 
der nicht mit dem Bürgerrecht ausgestatteten Höchstbestenerten wollte es beseitigen. 
Die Normalzahl der Stadtverordneten sollte obligatorisch, und zwar durchschnittlich 
niedriger als es die Regierung wollte, festgesetzt und eine ÄAnderung durch Ortsstatut 
ausgeschlossen werden", die Zahl der besoldeten Magistratsmitglieder die der unbesoldeten 
nicht übersteigen dürfen. Das Bestätigungsrecht sollte auf den Bürgermeister und den 
ersten Beigeordneten beschränkt und in Städten mit mehr als 10000 Einwohnern vom 
Minister des Innern, in den Übrigen vom Oberpräsidenten ausgeübt werden. Versagt 
sollte die Bestätigung nur dann werden, wenn Thatsachen vorliegen, welche Bedenken gegen 
die technische oder sittliche Qualisikation des Gewählten begründen. Bei der Wieder- 
wahl sollte von einer Bestätigung überhaupt abgesehen werden und das Recht des Ober- 
präsidenten, die erledigte Bürgermeisterstelle kommissarisch verwalten zu lassen, nur dann 
  
1 Entw., §§. 5, 6, 9, 44, 46, 50, 55, 60, eodem. 
66, 79, 80, 90, 92, 93, 110, 121—122. * Anlagen, S. 1726, Beschl. d. A. H., §. 23: 
: Anlagen, S. 1727, §. 26 der Beschlüsse Entw., §. 22. 
des Abgeordnetenhauses. * Anlagen, S. 1732, Beschl. d. A. H., §. 45.
	        
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