50 Zweiter Abschnitt. (§. 12.)
preußen und Ermland bei Einführung der Edikte in diese bestimmt. 1 — So war, dank
des energischen Eingreifens der ersten preußischen Könige, bereits vor Emanation des
Allgemeinen Landrechts, in der ganzen Monarchie für den Schutz, die Erhaltung und
Wahrung des Bauernstandes gesorgt. Der willkürlichen Ausdehnung der Rittergüter
durch Einziehung bäuerlicher Stellen waren Schranken gesetzt, es war der Anfang ge-
macht mit einer Fixierung der räumlichen Grenzen zwischen dem Gemeindebezirk und
dem Nittergut.
S. 12.
II. Das Allgemeine Landrecht ?,
welches hinsichtlich seiner Bestimmungen über die ländliche Verfassung nur subsidiäre
Geltung beanspruchte und zunächst auf die Lokalobservanzen, Statuten und Provinzial-
gesetze s verwies, hat in dem vom Bauernstande handelnden 7. Titel des 2. Teiles ge-
sondert die Rechtsverhältnisse der Dorfgemeinden (§§. 18—86) und die zwischen der
Gutsherrschaft und ihren Unterthanen (§8§. 87—494) geordnet. Das Landrecht war
das erste Gesetz, welches im Gegensatze zu den früheren provinziellen Verordnungen die
ländlichen Verhältnisse für den ganzen Staat nach allgemeinen Prinzipien regelte. Es
brachte nur wenige neue Rechtsgrundsätze, schloß sich meistens eng an das bisher geltende
Recht an" und gewährt uns so ein abschließendes Bild der Entwickelung, zu welcher
die Verfassung der Landgemeinden und ihre Beziehungen zu den Gutsherrschaften am
Ende des 18. Jahrh. gediehen waren.
1. Die Dorfgemeinde bestand aus den Besitzern der im Dorf oder dessen Feldmark
belegenen bäuerlichen Grundstücke und hatte die Rechte der öffentlichen Korporationen;
damit war für sie das Recht anerkannt, sich durch unter Genehmigung des Staates
gefaßte Schlüsse und Satzungen autonomisch weiter zu entwickeln; gleichzeitig wurde sie
aber denselben Beschränkungen unterworfen wie alle anderen Korporationen. Die Auf-
sichtsrechte wurden von der Gutsherrschaft geübt. Diese hatte nicht nur die ersten
Beamten, den Schulzen und die Schöppen zu ernennen 5, sondern ihre Genehmigung
war auch erforderlich für jeden Erwerb unbeweglicher Güter durch lästigen Vertrag,
für die Übernahme von Pachtungen außerhalb der Feldflur, für Veräußerungen von
Immobilien und Gerechtigkeiten, sowie zur Kontrahierung von Schulden.“
An der Spitze stand der Schulze, welcher von der Gutsherrschaft aus den an-
gesessenen Mitgliedern der Gemeinde zu bestellen war. Haftete das Schulzenamt, was
häufig der Fall war, an dem Besitze eines ländlichen Grundstücks, des sogen. Schulzen-
guts, so mußte jeder neue Erwerber desselben der Gutsherrschaft zur Prüfung und
Bestätigung vorgestellt werden, und sie ernannte, wenn sie den Präsentierten für un-
tauglich erachtete, einen Stellvertreter für ihn. Der Schulze leitete die ganze Kom-
munalverwaltung der Gemeinde und war gleichzeitig Organ der obrigkeitlichen Gewalt.
Er hatte die Gemeindeversammlung zu berufen und zu leiten, das Gemeindevermögen
zu verwalten, für die Einziehung und Ablieferung der öffentlichen Abgaben zu sorgen;
auch lag ihm die Ausübung gewisser polizeilicher Funktionen ob: die Verhinderung von
Gewaltthätigkeiten, die Aufsicht über Müßiggänger, Bettler, Zigeuner u. s. w., die
Unterstützung der staatlichen Beamten bei ihren Dienstgeschäften, die Anzeigepflicht von
Feld= und Forstkontraventionen und von dem Ausbruch der Viehseuchen, die Feuerpolizei
und anderes mehr.X7
1 O. V. G., XX, S. 135. Genaueres hierüber Unter diesen ist besonders zu nennen die
siehe bei Knapp, Bauernbefreiung, II, S. 97 f. schlesische Dorfpolizeiordnung und Schulzen-
Danach war für Ostpreußen und das diesem zuge= instruktion v. 1. Mai 1804.
schlagene Ermland nicht schlechthin das Jahr 1772, * Suarez, Amtliche Vorträge bei der Schluß-
sondern der 1. Juni dieses Jahres maßgebend. revision des A. L. R. 1833, S. 149.
2 Bgl. besonders E. Meier, Die Reform * A. L. R., Teil II, Tit. 7, §§. 47, 74.
u. s. w., S. 120 ff.; v. Möller, Landgemeinden NA. L. R., a. a. O., §§. 33—36.
u. Gutsherrschaften (Breslau 1865), S. 6 ff.:; (A. L. R., a. a. O., §§. 46—72.
Genzmer, S. 9 f.