Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (§. 12.) 51 
Dem Schulzen mußten von der Gutsherrschaft mindestens zwei Schöppent, soweit 
möglich aus der Zahl der angesessenen Wirte, beigeordnet werden, welche ihn in den 
Amtsverrichtungen unterstützen, vertreten und gewissermaßen auch kontrollieren sollten. 
Ein Kollegium bildete der Schulze mit den Schöppen nur als Dorfgericht?; in Ge- 
meindesachen hatte er stets allein zu entscheiden, auch bei der Verwaltung des Ver- 
mögens, wo eine Zuziehung der Schöppen noch besonders vorgeschrieben war. 
Eine Gemeindevertretung kennt das Landrecht nicht; zu nötigen Beratschlagungen 
hatte der Schulze einfach die Gemeinde zusammenzurufen und nach Stimmenmehrheit 
den Beschluß abzufassen.? Zu den Gemeindearbeiten und anderen nachbarlichen Pflichten, 
zu welchen ein jedes Mitglied der Gemeinde Dienste und Beiträge leisten muß, sind nach 
Landrecht der Regel nach zu rechnen: die Ausbesserung der gemeinschaftlichen Wege 
und Brücken, die Räumung der Dorf= und gemeinen Feldgräben, die Einhegung der 
Nachtkoppeln und Viehtriften, der Bau und die Besserung gemeinschaftlicher Dorf- 
gebäude, Schmieden, Hirtenhäuser, Brunnen u. s. w., die Versorgung der Dorfdirten 
und anderer im Dienste der Gemeinde stehender Personen, die Versehung der Nachtwachen 
und die Versorgung des Dorfwächters, die Anhaltung und Bewachung der Verbrecher, 
der Transport der Verbrecher und Landstreicher, die sogen. Deserteurwachen, das Herbei- 
holen und Zurückführen des Gerichtshalters, die Unterhaltung des Dorfbullens und 
Zuchtebers, die Unterhaltung der Dorfspritzen und das ganze Feuerlöschwesen.“" Der 
landrechtlichen Dorfgemeinde lag also, abgesehen von einzelnen polizeilichen Verrichtungen, 
vorzugsweise die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen der Grundbesitzer ob, sie 
war noch eine Realgemeinde, und zwat nicht nur ihren Aufgaben, sondern auch ihrer 
Zusammensetzung nach. Nur die mit bäuerlichen Grundstücken angesessenen Wirte waren 
Mitglieder derselben, nicht die bloßen Einlieger, Tagelöhner, Häuslinge, Auszügler u. s. w., 
wenngleich sie Häupter von Bauernfamilien waren. Nur die angesessenen Wirte hatten 
Stimme in der Gemeindeversammlung. Die Rechte und Lasten stuften sich in erster 
Linie nach Maßgabe der Besitzverhältnisse ab. Unangesessene Dorfeinwohner trugen in 
der Regel zu den Gemeindelasten und -diensten nur bei, sofern sie an gewissen Nutzungen, 
z. B. Gemeindeweiden, partizipierten.“ Als privatwirtschaftlicher Verband, dem der poli- 
tische Gemeindecharakter noch fehlte, charakterisierte diese Dorfgemeinde sich auch dadurch, 
raß die Gemeindeversammlung nichts zum Nachteile der Rechte der übrigen Dorf- 
einwohner beschließen konnte, daß, wo Rechte oder Leistungen, welche sich auf verschiedene 
Klassen von Gemeindegliedern! bezogen, in Frage standen, die Mitglieder der einen 
Klasse, wenngleich sie an sich eine überwiegende Stimmenmehrheit ausmachten, nichts 
zum Nachteile der anderen Klassen festsetzen konnten", daß weiter hinsichtlich derjenigen 
Geschäfte, die nur eine solche Klasse allein betrafen, auch nur die Mitglieder dieser 
Klasse stimmberechtigt waren?, daß endlich, wenngleich prinzipiell nur die Gemeinde- 
mitglieder zur Nutzung der Gemeindegründe durch Hütung, Holzung u. s. w. berechtigt 
waren, doch jeder Dorfeinwohner so viel Vieh auf die Gemeindeweide treiben durfte, 
als zur gehörigen Bestellung seiner Wirtschaft von ihm gehalten werden mußte.10 
II. Den Dorfgemeinden standen die Gutsherrschaften gegenüber, aber diese waren 
keine mit jenen auf gleicher Stufe stehende kommunale Verwaltungskörper, sondern über 
jenen stehende obrigkeitliche Gewalten. Voraussetzung der Gutsherrschaft war der Besitz 
eines Landgutes, mit welchem die Befugnis, Unterthanen zu haben, verknüpft war. 
Diese Befugnis kam aber in der Regel nur Besitzern von Rittergütern zu, während die 
Besitzer anderer freier Güter, welche dieses Recht für sich in Anspruch nahmen, dasselbe 
durch Provinzialgesetze, Privileg oder Verjährung begründen mußten. 11 Eine nähere 
Bestimmung über den Begriff des Ritterguts giebt das Allgemeine Landrecht nicht, und 
1 A. L. R., a. a. O., §§. 73—78. (z. B. Klasse der Fischerwirte) vgl. O. V. G., I, 
: A. L. R., a. a. O., §§. 79—86. S. 131; V, S. 160; XIII, S. 192. 
2„ A. L. R., a. a. O., §. 52. * A. L. R., a. a. O., §8§. 21, 23—25. 
4 A. L. R., a. a. O., §. 37. °* A. L. R., a. a. O., §§. 26, 27. 
5 A. L. R., a. a. O., §§. 20, 22 1° A. L. R., a. a. O., 88. 28, 30. 
* A. L. R., a. a. O., 8§. 44, 30. 11 A. L. R., a. a. O., §§. 91, 92. 
7 Über diese Klassen der Gemeindeangebörigen 
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