Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

54 Zweiter Abschnitt. (§. 13.) 
des Satzes auf den umgekehrten Fall, wenn bäuerliche Besitzungen ins Eigentum des 
Gutsherrn übergingen, ist ausgeschlossen, indem es feststand, daß sie in der Gemeinde 
steuerpflichtig blieben, bis sie unter Zustimmung der zuständigen Staatsbehörde dem 
Gutsbezirke formell einverleibt wurden. Ebenso galt der Satz, daß vom Gutsbezirk 
abverkaufte Teile ipso jure in den Gemeindeverband übergingen, nicht für die Zukunft; 
er wurde im Gegenteil ausdrücklich reprobirt, indem dem Gutsherrn die Armenlast auf 
abverkauften Gutsparzellen der Regel nach verbleiben sollte; nach dem 31. Jan. 1843 
konnte die Grenze zwischen Gut und Gemeinde nach irgend einer Richtung hin nur 
durch einen Staatshoheitsakt verschoben werden. Und auch für das eigentliche 
Anwendungsgebiet des Satzes — die vor dem 31. Jan. 1843 vom Gutsbezirk abge- 
trennten Parzellen — muß noch hervorgehoben werden, daß er da ausgeschlossen ist, wo 
es sich um Grundstücke handelt, die niemals bäuerliche im Sinne des Allgemeinen Land- 
rechts gewesen, d. h. niemals mit bäuerlichen Wirten besetzt, sondern stets als herrschaft- 
liches Eigentum besessen und daher nicht in das Gemeindeland übergegangen waren, 
So sind nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts die Dorfauen in Schlesien, 
welche ursprünglich herrschaftliches Territorium waren und nicht an die Unterthanen 
ausgegeben sind, auch heute noch in kommunaler Beziehung als zu den Bezirken der 
früheren Gutsherrschaft und nicht zu denen der Landgemeinden gehörig zu betrachten, 
wenngleich sie lediglich von den Derfbewohnern benutzt werden, innerhalb der Dorf- 
gemarkung liegen und mit dem benachbarten Gutsbezirke in gar keiner räumlichen Ver- 
bindung stehen. Die Lage innerhalb des Gemeindebezirks allein rechtfertigt daher noch 
nicht die Zugehörigkeit eines Grundstücks zu demselben, es muß vielmehr immer noch 
die Prüfung hinzukommen, ob dasselbe auch rechtlich ihm zugehören kann und nicht 
Umstände dagegen sprechen, daß es jemals rechtlich in ihn übergegangen ist. Wollte 
man schlechthin die Lage eines Grundstückes im Gemeinde= oder Gutsbezirke für seine 
kommunale Zugehörigkeit entscheidend sein lassen, so würde man sich in Widerspruch 
setzen mit dem geltenden Recht, welches die Existenz von Enklaven, und zwar von bäuer- 
lichen in Gutsbezirken wie von gutsherrlichen in Landgemeinden, anerkennt. 
Eine erhebliche Bedeutung für die bäuerlichen Verhältnisse haben ferner die Ver- 
ordnung betreffend die Organisation der Generalkommissionen v. 20. Juni 1817 (G. S., 
S. 161) und die Gemeinheitsteilungsordnung v. 7. Juni 1821 (G. S., S. 53) gehabt. 
Erstere verpflichtete die Auseinandersetzungsbehörden, bei Regulierung der gutsherrlich- 
bäuerlichen Verhältnisse auch die damit zusammenhängenden öffentlich-rechtlichen Verhält- 
nisse der beteiligten Korporationen zu regeln, und hat dadurch bewirkt, daß die Gemein- 
heitsteilungsrezesse auch viele öffentlich-rechtliche Festsetzungen enthalten, welche Teile der 
Ortsverfassungen geworden sind."“ Die Gemeinheitsteilungsordnung hat eine neue Form 
der Grenzveränderung eingeführt; eine solche kann nämlich bei den beteiligten Guts= und 
Gemeindebezirken ohne weiteres mit der Gemeinheitsteilung eintreten, indem nach dem 
  
1 O. V. G., VIII. S. 111. Vgl. auch O.] Cap. 31, von Friedenberg so erklirt, daß die 
V. G., X, S. 97, wo ausgeführt ist, daß §. 6, 
Z. 3 des Ges. v. 31. Dez. 1842 keine An- 
wendung findet auf von Gutsbezirken abver- 
kaufte Parzellen, welche nicht mit Gemeinden, 
sondern mit einem anderen Gute wirtschaftlich 
vereinigt sind. 
2 Vgl. jedoch über die durch die spätere Agrar- 
gesesgebung begründete Ausnahme folgende Seite 
ert zu Anm. 1. 
O. V. G., V., 116 ff. Unter Dorfauen 
und Dorfangern werden diejenigen Grundflächen 
in den Dorfschaften verstanden, welche zu freien 
Plätzen, Land-, Feldwegen oder Grenzrainen 
bestimmt sind und dem öffentlichen Gebrauche 
dienen. Eigentümliche Rechtsverhältnisse dieser 
Dorfauen haben sich vorzugsweise in Schlesien, 
aber auch in anderen östlichen Provinzen, wie 
Brandenburg und Pommern, ausgebildet. Die 
Entstehung dieser Auen wird für Schlesien nach 
dem Tractatus de Silesiae juribus, lib. II, 
  
Landesfürsten, als das Herzogtum meist noch 
wüst und öde war, ihre Ritter und Kriegsleute 
mit Landdistrikten beliehen, und diese wieder den 
Bauern Grundstücke angewiesen hätten, daß das 
keinem verliehene Land der Herrschaft verblie- 
ben und Aue genannt sei. Die Frage nach 
der kommunalen Qualität dieser Auen, ob sie 
zur Gemeinde, in der sie liegen, oder zur Do- 
mäne gehören, ist viel umstritten, vom O. V. 
G. nunmehr bezüglich Schlesiens in letzterem 
Sinne aus oben angefübrten Eründen ent- 
schieden. Anderer Ans. v. Möller, L., S. 31. 
Von den Dorfauen handelt auch der M. Erl. v. 
6. Juli 1874 (V. M. Bl., S. 170). 
1 §. 43, Z. 4, u. §. 159. Vgl. auch Verordnung 
wegen des Geschäftsbetriebes in Angelegenheiten 
der Gemeinheitsteilungen v. 30. Juni 1834 
(G. S., S. 96), §§. 7 u. 11. O. V. G., VII, 
137, 190; XlII, 92: XX. 133.
	        
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