56 Zweiter Abschnitt. G. 13.)
Gemeinde= und Gutsbezirke, über das Stimmrecht, die Form der Gemeindebeschlüsse,
Urkunden, Vollmachten, es sieht eventuell die Einführung einer gewählten Gemeinde-
vertretung vor und stellt Grundsätze über die Kommunalbesteuerung auf.1 «
So blieb die Verfassung des platten Landes in den östlichen Provinzen bis zur
Emanation der Kreisordnung für die Provinzen Ost= und Westpreußen, Branden-
burg, Pommern, Schlesien und Sachsen v. 13. Dez. 1872. Diese beseitigte die bis
dahin bestandene Verbindung obrigkeitlicher Befugnisse mit dem Besitze gewisser Güter, sie
nahm den Gutsherren die Polizeigewalt und die Aufsicht über die Landgemeinden, legte
ihnen dagegen für ihren Gutsbezirk die Pflichten und Leistungen auf, welche den Gemeinden
für den Bereich des Gemeindebezirkes obliegen. Sie übertrug den Gemeinden das Recht
zur Wahl ihrer Schulzen und Schöppen und hob die mit dem Besitze eines Grundstückes
verbundene Berechtigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzenamtes auf.
Behufs Verwaltung der Polizei ordnete sie endlich die Einteilung des ganzen Kreises
mit Ausschluß der Städte in Amtsbezirke an, welchen auch kommunale Angelegenheiten
übertragen werden konnten; an die Spitze jedes Amtsbezirks setzte sie einen Amts-
vorsteher, der einen Amtsausschuß zur Seite hat und die Polizei ausübt im Namen
des Königs. — Damit war der letzte Schritt zur Gleichstellung der Gemeinden und
Gutsbezirke gethan, beide sind von nun an gleichberechtigte, voneinander unabhängige
Träger der örtlichen Verwaltung auf dem platten Lande, und der Gutsvorsteher, dem
alle obrigkeitlichen Rechte genommen sind, steht gleichberechtigt neben dem Gemeinde-
vorsteher.
II. Einen mehr oder weniger abweichenden Entwickelungsgang haben die ländlichen
Verhältnisse in denjenigen alten preußischen Landesteilen durchgemacht, welche
durch den Tilsiter Frieden unter französische Herrschaft kamen. In ihnen
wurden nach ihrer Wiedervereinigung mit Preußen die früheren Rechtsverhältnisse,
besonders die aufgehobenen gutsherrlichen Rechte nicht überall wiederhergestellt. In den
Teilen der Provinz Sachsen, welche zum Königreich Westfalen gehört hatten und in
welchen, ebenso wie in Westfalen und der Rheinprovinz, die meisten Rittergüter ländlichen
oder städtischen Gemeinden einverleibt waren, wurde, sofern nicht beide Teile das Fort-
bestehen der vorhandenen Zustände wünschten, die Ausscheidung der Domänen aus dem
Gemeindeverbande ausgesprochen, und die Gutsherren erhielten die Polizeigewalt wieder
zurück.?
In Neuvorpommern und Rügen, wo das Landrecht nicht eingeführt war, hatte
die Fremdherrschaft den Gutsherren die Polizeigewalt nicht genommen. Es bestand hier
bis auf die neueste Zeit die alte schwedische Dorfsverfassung.
In Posen, wo die landrechtlichen Vorschriften wieder eingeführt wurden", wurden
die Gutsherren durch Kabinettsordre v. 16. April 18235 zur Verwaltung der Polizei
auf dem platten Lande (der sogen. Woytämter) verpflichtet. Durch Kabinettsordre
v. 9. März 1833“ wurde die Polizei ihnen jedoch wieder genommen und besonderen
Beamten, Woyts, welche an die Spitze der aus Rittergütern, Dörfern und kleinen
Städten gebildeten Woytsbezirke gestellt wurden, übertragen. An Stelle dieser sind
schließlich durch Kabinettsordre v. 10. Dez. 1836 7 die königlichen Distriktskommissarien
getreten, und gleichzeitig ist es den Rittergutsbesitzern gestattet, innerhalb ihres Guts-
bezirks die Ortspolizei selbst oder durch vom Landrate zu bestätigende Stellvertreter
zu verwalten.
In den westlichen Provinzen wurden nur den früheren Reichsunmittelbaren die
obrigkeitlichen Rechte wiedergegeben; im übrigen war hier die Entwickelung der Land-
Auf einzelne dieser Bestimmungen, die : Zwei Verordnungen vom 31. März 1833
mehr oder minder abgeändert in die neue Land-G. S., S. 61, 62).
g#emeindtordnung übergegangen sind, wird in der * M. Erl. v. 20. Juli 1822 (Kamptz,, Ann.
arstellung des geltenden Rechts einzugehenVI, S. 711).
sein. Vgl. über das Ges. v. 14. April 1856 4 Patent v. 9. Nov. 1816 (G. S., S. 225).
auch Lette, Über Verfassungszustände in Preu- 5 v. Kamptz, Ann., VII, S. 317.
ßen (Berlin 1857), Abschnitt VI, S. 44 ff., und s v. Kampt, Ann., XVII, S. 119.
derselbe, Die Landgemeindeordnung für die 7 v. Kamptz, Ann., XX, S. 943.
sechs östlichen Provinzen (Berlin 1867).