60. Zweiter Abschnitt. (F. 14.)
Gemeindeordnung von 1850 keine Dorfsverfassung, sondern Stadtrecht gegolten hat, kann
die Städteordnung nach Maßgabe derjenigen Vorschriften, welche sie für die Organisation
der Städte von höchstens 2500 Einwohnern in Titel VIII aufgestellt hat, durch könig-
liche Verordnung nach Anhörung des Provinziallandtages eingeführt werden.! Land-
gemeinden kann die Städteverfassung auf ihren Antrag' nach Anhörung des Kreistages
und des Provinziallandtages vom Könige verliehen werden?;
b) das Gesetz betreffend die Verfassung der Städte in Neuvorpommern und
Rügen v. 31. Mai 1853 (G. S., S. 291), welches in den Städten der genannten
Gebietsteile die bestehenden Verfassungen, wie sie sich unter schwedischer Herrschaft von
den Zeiten des alten Deutschen Reiches her entwickelt hatten, aufrecht erhalten2, für jede
Stadt jedoch die Aufstellung eines vom Könige zu bestätigenden und nach besonders vor-
geschriebenen Grundsätzen anzulegenden Rezesses vorgeschrieben hat;
J) die Landgemeindeordnung v. 3. Juli 1891 (G. S., S. 233)“, welche auf die Land-
gemeinden und Gutsbezirke dieser sieben Provinzen Anwendung findet und von den
Stadtgemeinden nach Anhörung des Kreistages und Provinziallandtages mit Genehmigung
des Königs angenommen werden kann.?
2) In der Provinz Westfalen gilt:
a) die Städteordnung v. 19. März 1856 (G. S., S. 237).3 Sie findet auf alle
diejenigen Städte Westfalens Anwendung, in denen bei Verkündigung der Gemeindeordnung
von 1850 die Städteordnung von 1831, oder bei ihrer eigenen Verkündigung diejenige
Verfassung galt, welche die Gemeindeordnung von 1850 in Titel II für Ortschaften von
mehr als 1500 Einwohnern vorschrieb, auf letztere Ortschaften jedoch nur dann, wenn
sie bei Einführung der Gemeindeordnung — von 1850 an Stelle der daselbst geltend
gewesenen Landgemeindeordnung v. 31. Okt. 1841 — aus dem Amtsverbande mit den
Landgemeinden ausgeschieden sind.“ Städten, in welchen hiernach die Städteordnung
nicht ipso jure gilt, kann sie, wenn die Gemeindevertretung durch einen, nach zwei-
maliger, mit einem Zwischenraum von mindestens acht Tagen vorgenommener Beratung,
gefaßten Beschluß darauf anträgt, nach Anhörung der Vertretung des beteiligten Amtes
und des Kreistages durch königliche Verordnung verliehen werden. Ebenso kann sie
Landgemeinden, in welchen sich ein städtisches Leben entwickelt hat, durch königliche Ver-
ordnung verliehen werden!;
b) die Landgemeindeordnung für Westfalen v. 19. März 1856 (G. S., S. 265) #:
sie gilt nicht nur in den Landgemeinden und Gutsbezirken Westfalens, sondern auch, mit
einigen an entsprechender Stelle hervorzuhebenden Modifikationen, in den Städten, in
welchen die westfälische Städteordnung nicht eingeführt ist, und sie kann mit denselben
1 St. O. ö., §. 1. Die letztgenannten Ort- : L. G. O. ., §. 1
schaften werden in der St. O. als „Flecken“
bezeichnet, sie haben sich aus der alten Gewerbe-
verfassung entwickelt (uvgl. oben S. 23, VII, u.
A. L. R., II, 8, 8§. 176 —1789), ihre diesbezügliche
Bedeutung jetzt aber gänzlich verloren. Bis
zum Erlaß der vorbehaltenen kgl. Bestimmung
behalten sie ihre z. Z. der Einführung der St.
O. bestehende Verfassung — auch da, wo die
G. O. v. 11. März 1850 eingeführt worden
ist (Art. I d. M. Instr. v. 20. Juni 1853,
V. M. Bl., S. 138). Was die Zuständigkeit
anlangt, so findet auf sie nach §S. 22, Abs. 1
des Zust. G. der Titel IV des Zust. G., betr. die
„Angelegenheiten der Stadtgemeinden“, nicht
nur dann Anwendung, wenn ihre Verfassung auf
Grund der St. O. geregelt ist, sondern stets,
solange ihnen nicht ausdrücklich eine ländliche Ber-
fassung verliehen ist. O. V. G., XIII, S. 182. Auf
Grund dieser Vorschriften ist z. B. ein Gemeinde-
statut für den Marktflecken Tiegenhof (Kr. Marien-
burg, Reg.-Bez. Danzig) unterm 24. Jan. 1859
(G. S. 1861, S. 85) erlassen worden. '
: Über diese alten Verfassungen vgl. v. Rönne
u. Simon, Gemeindeverfassung, I. S. 57 ff.
4 Zu dieser L. G. O. sind drei Ausf. Anw.
unterm 7. Nov., 28. u. 29. Dez. 1891 er-
gengen (V. M. Bl. 1891., S. 181, u. 1892,
1), auch abgedruckt bei Brauchitsch, III,
und in den meisten Kommentaren zur
. G. O.
5* Dazu die Ausf. Instr. v. 9. Mai u. (zu 8. 52)
v. 31. Juli 1856. (V. M. Bl., S. 144 u. 198),
erstere ergänzt durch M. Reskr. v. 13. Okt. 1873
(V. M. Bl., S. 300).
* St. O. w., §. 1. Über die Städte, in wel-
chen hiernach die St. O. w. gilt, vgl. Kgl. Preuß.
Staatsanzeiger 1856, Nr. 136, S. 1113.
7 L. G. O. w., §. 1. So ist die St. O. w.
durch Allerb. Erlasse verliehen den Gemeinden
Olpe, Hörde u. Rhein (G. S. 1857, S. 896:
1858, S. 275; 1862, S. 314).
s Dazu die Ausf. Instr. v. 9. Mai u. 31. Juli
1856 (B. M. Bl., S. 147 u. 198).