66 Zweiter Abschnitt. (F. 15.)
In den Städteordnungen für die Rheinprovinz und für Frankfurt a. M. ist
die ausdrückliche Bestimmung hinzugefügt, daß diese Ortsstatute nicht den bestehenden
Gesetzen widersprechen dürfen, in den anderen fehlt dieselbe, und es haben daher in
ihrem Geltungsbereiche die Städte das weitgehende Recht,
über ihre Verfassung und Verwaltung abzuändern. 7.2
die staatliche Gesetzgebung
Das Ortsstatut wird durch Gemeindebeschluß, d. h. durch übereinstimmenden Be-
schluß des Gemeindevorstandes und der Gemeindevertretung festgestellt 3, ist vom Bezirks-
ausschuß zu bestätigen" und dann in ortsüblicher Weise zu publizieren.
Die Abänderung und Aufhebung des Ortsstatuts erfolgt in derselben Weise wie
sein Erlaß, also durch Gemeindebeschluß mit Bestätigung des Bezirksausschufses.
Als einer besonderen Art von Ortsstatuten ist hier noch der Rezesse in den Städten
Neuvorpommerns und Rügens zu gedenken. Diese mit dem Lübischen Rechte beliehenen
Städte haben sich von jeher einer besonders weitgehenden Autonomie erfreut und jede
Herstellung einer etwa als wünschenswert sich her-
ausstellenden kommunalen Verbindung zwischen
der Stadtgemeinde Frankfurt a. M. und deren
Nachbargemeinden, vorbehaltlich der Zustim-
mung der letzteren“.
1 „Sonstige uigencümliche Verhälmisse und
Einrichtungen“, über welche die Ortsstatuten
Vorschriften enthalten dürfen, können nur Ab-
weichungen vom Gesetz betreffen, denn etwaige
Ergänzungen desselben sind bereits in Z. 1
unter den Angelegenheiten, über welche das
Gesetz keine besonderen Bestimmungen enthält,
begriffen. Dafür spricht auch der in der St.
O. ö., w. u. rh. befindliche mit „insbesondere“
eingeleitete Satz (siehe vorige Anm.), welcher
eine Modifikation des Dreiklassensystems zu
Gunsten der gewerblichen Genossenschaften für
zulässig erklärt und durch das „iinsbesondere“
gleichzeitig darauf hinweist, daß dieses nicht der
einzige Fall statutarisch zu fixierender Abwei-
chungen sein solle. In der St. O. wiesb.
fehlt dieser mit „insbesondere“ eingeleitete Satz,
auf Grund dessen man versucht hat, die gesetzes-
ändernde Kompetenz der Städte auf den in
ihm bezeichneten Fall zu beschränken, gänzlich.
Im Geltungsgebiet der St. O. rh. und des
G. G. frkf. ist die allgemeine Ermächtigung
der Städte, ortsstatutarisch „sonstige eigentüm-
liche Verhältnisse und Einrichtungen“ zu regeln,
überhaupt ohne jede Bedeutung. Diese Rege-
lung könnte nach dem Vorangehenden sich nur
auf Abweichungen vom Gesetz beziehen, nach
ausdrücklicher Vorschrift dieser beiden Gesetze
darf aber kein Ortsstatut contra legem sein;
nur binsichtlich der in den mit „ insbesondere“
eingeleiteten Sätzen angegebenen Angelegen-
heiten wird das Ortsstatut hier das Gesetz ab-
ändern können, weil diese Ausnahmen vom Ge-
setze selbst zugelassen sind.
* Dieser Rechtszustand, der bei Erlaß der
betr. Gesetze keineswegs beabsichtigt wurde, ist
theoretisch ein bedenklicher, praktisch erscheint er
insofern ungefährlich, als den staatlichen Behör-
den vermöge ihres Bestätigungsrechts immerhin
ein Einfluß auf den Inhalt aller Statuten
vorbehalten ist. Leidig, S. 188, Anm. 5.
2: In den kurhessischen Gemeinden ist der
Statutenentwurf, nachdem er von den städti-
schen Bebörden genehmigt ist, zunächst zu pu-
blizieren; zwei Monate hindurch können dann
gegen ihn Erinnerungen vorgebracht werden
und erst nach Ablauf dieser Zeit erfolgt die
definitive Feststellung durch die Gemeindekolle.
gien. Auch muß, insofern an besonderen Rechts-
verhältmissen etwas geändert werden soll, noch
die Zustimmung der Beteiligten erwirkt wer-,
den. G. O. kurh., §s. 3. Über den Begrif
der „besonderen Rechtsverhältnisse“ vgl. O. V. G.
XXIV, S. 92.
* Der Bez. A. kann die Bestätigung nur
pure qussprechen oder versagen; er kann selbst
keine Anderungen vornehmen, wohl aber bei
Rückgabe des Entwurfs angeben, welche Ande-
rungen er vor Erteilung der Bestätigung für
erforderlich erachtet.
Berlin tritt an die Stelle des Bez. A.
der Oberpräsident, L. V. G., §. 43, Abs. 3. Die
Bestätigung eines Berliner Ortsstatuts durch den
Min. d. J. an Stelle des Oberpräsidenten er-
scheint unzulässig und nicht hinreichend, da die
höhere Verw.-Behörde nicht ohne weiteres die
der niederen überwiesenen Funktionen vornehmen
darf. And. Ans. das Reichsgericht in einer
Entsch. v. 6G. Dez. 1886 (Gruchot, Beiträge,
XXXI, S. 429 ff.).
Die Destätigung durch den Bez. A. erfolgt nach
Zust. G., §. 16, Abs. 3, nur da, wo sie in den Ge-
meindeverfassungsgesetzen bisher der Aufsichts-
behörde vorbebalten war, also nicht im Bereiche
derjenigen G. Ordugn., welche über Gemeinde-
statuten gar keine Vorschriften enthalten. Ob
hier zur Gültigkeit von Gemeindestatuten über-
haupt eine Genehmigung erforderlich ist, wird
nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen über die
Bestätigung der Korporationsstatuten zu beur-
teilen und, da in den in Betracht kommenden
Gebieten — z. B. Nassau — gemeines Recht
gilt, zu verneinen sein.
5 Besondere gesetzl. Vorschriften sind über die
Publikation nicht erlassen, sie ist überhaupt nir-
gends ausdrücklich vorgeschrieben; sie ist nicht ein
notwendiges Erfordernis für die Gültigkeit eines
Ortsstatuts, wohl aber für das Inkrafttreten
desselben Dritten gegenüber. Vgl. die in voran-
gehender Anm. cit. Entsch. d. Reichsger., desgl.
die Entsch. desselben v. 2. Jan. 1883 (Preuß.
Verw. Bl., V, S. 133). O. B. G., VII, S.49 ff.;
XX, S. 16, 17. Ortel, S. 16, Anm. 6.
And. Ans. Keil, Komm. zur L. G. O., S. 104,
Anm. 8. Uber die Publikation durch die Presse
M. Erl. v. 30. Aug. 1872 (V. M. Bl., S. 225).