84 Zweiter Abschnitt. (8. 20.)
Auch Ausländer können einen Wohnsitz in der Gemeinde erwerben, ein Nieder—
lassungsrecht besteht für sie jedoch nicht, und es kann ihnen daher die Begründung eines
Wohnsitzes wie die Fortsetzung des Aufenthaltes jederzeit untersagt werden.!
III. Die Aufhebung des Wohnsitzes erfolgt gleichfalls durch den Willensentschluß
des Aufgebenden, der bei der Ausweisung durch die Verfügung der Behörde ersetzt wird,
und die äußere Handlung, welche darin besteht, daß der Betreffende den Gemeindebezirk
gänzlich verläßt und entweder an einem anderen Orte einen neuen Wohnsitz erwirbt
oder im Lande umherzieht, ohne irgendwo feste Wohnung zu nehmen.? «
Die Aufgabe des Wohnsitzes in der Gemeinde, welche jederzeit jedem Einwohner
freisteht 2, zieht die Ausscheidung aus dem Gemeindeverbande von selbst nach sich.
IV. Alle Einwohner des Stadtbezirkes gehören zur Stadtgemeinde. Eine Aus-
nahme machen hiervon nur die servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienst-
standes.“ 5.5 Diese gehören selbst dann nicht zur Gemeinde, wenn sie in ihr mit
Grundeigentum angesessen sind, ein Gewerbe betreiben oder sich an einem Orte in
Garnison befinden, an welchem sie bei Aufnahme in den Militärdienst als Minderjährige,
in väterlicher Gewalt Befindliche oder aus sonstigen Gründen ihren Wohnsitz hatten.7
V. Alle Einwohner des Stadtbezirkes sind, unbeschadet der Bestimmungen besonderer
Stiftungen oder der auf besonderen Titeln beruhenden Privatrechte, zur Mitbenutzung
der öffentlichen Gemeindeanstalten berechtigt und dementsprechend zur Teilnahme an den
städtischen Gemeindelasten verpflichtet.
1 Den Ausländern steht gegen die Auswei-
sung der Rechtsschutz des Verwaltungsstreitver-
fahrens nicht offen. L. V. G., §S. 130, dazu
v. Brauchitsch, I, S. 136, Anm. 252; Ortel,
S. 25; Marcinoweki, S. 22; M. Reskr. v.
5. Mai 1857 (V. M. Bl., S. 104).
2 I. 50 D. ad municip. 50. 1: domicilium
re et facto transfertur non nuda contesta-
tione; Allg. Ger. O., I, 2, §§. 16—22.
: A. L. R., II, 6, §§. 182, 183; Ortel, S.
25, unter c.
4 St. O. ö., wiesb., w., rh., §. 3, Abs. 1;
schlesw.-holst., S. 4, Abs. 1; frif., §. 6, Abs. 1.
5 Die zum aktiven Dienststande gehörigen
Militärpersonen sind in §. 38 des Reichs-
Militärgesetzes v. 2. Mai 1874 (R. G. Bl., S. 45)
aufgezählt, und ein Verzeichnis der servisberech-
tigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes
ist in Beilage I des Reichsgesetzes betr. die
Revision des Servistarises v. 3. Aug. 1878
(R. G. Bl., S. 243) enthalten. Die hier nicht
als servisberechtigt aufgeführten Beamten der
Militärverwaltung (Beamte der Garnison= und
Lazarettverwaltung) gehören zur Gemeinde als
Einwohner wie Civilbeamte, sind gleich ihnen
zu den politischen Gemeinderechten befähigt, ge-
nießen aber auch nur die diesen zustehenden
Vergünstigungen bezüglich der Gemeindeabgaben.
Nicht zu den servisberechtigten Militärpersonen
gehören besonders auch die Mitglieder der Gen-
darmerie. Uber die zweifelhafte Frage, ob der
Kreis der servisberechtigten Militärpersonen des
aktiven Dienststandes für die preußischen St.
Ordugn. ohne weiteres durch die Beziehungen.
der preußischen Armee zum deutschen Heere, wie
sie sich aus der Gesetzgebung des Norddeutschen
Bundes, des Reiches (R. Verf., Art. 63) und aus
den Militärkonventionen ergeben, eine Erweite-
rung dahin erfahren hat, daß zu ihm jetzt alle
in den §§. 4 u. 38 des Reichs Militärgesetzes
bezeichneten Angehörigen des deutschen Reichs-
heeres gehören — ohne Rücksicht auf ihre
spezielle Beziehung zum preußischen Staate, vgl.
O. V. G., XIX, S. 37 ff. Zur Zeit der
Emanation der St. Ordugn. von 1853 u. 1856
dachte man bei servisberechtigten Militärper-
sonen naturgemäß nur an solche, welche ihre
Kompetenzen aus der preußischen Staatskasse
empfingen, heute bezieht jedes Mitglied der
preußischen Armee den Servis aus der Reichs-
kasse und gehört gleichzeitig dem deutschen Reichs-
heere an.
(* Die Mitglieder des königl. Hauses und
des hohenzollernschen Fürstenhauses machen
keine Ausnahme. Sie sind als Mitglieder der
Gemeinde ihres Residenzortes zu betrachten.
Die entgegengesetzte Ansicht, welche in einem
M. Reskr. v. 30. Mai 1850, I, B. 8058 (bei Hüb-
ner, St. O., S. 48) ausgesprochen und damit
begründet ist, „daß die Mitglieder des königl.
Hauses wegen ihrer Suceessionsfähigkeit und
ihrer sonstigen nahen Beziehungen zur Krone
nicht in demjenigen Verhältnisse zu einer ört-
lichen Korporation stehen könnten, welches bei
den Angehörigen einer Gemeinde vorausgesetzt
werden muß“ — ist, wie bereits Leidig hervor-
hebt, aus den Gesetzen nicht zu begründen.
Die Mitglieder des königl. Hauses sind ebenso
Unterthanen und Staatsbürger wie jeder andere,
sie stehen in jeder Beziehung unter den allge-
meinen Rechtsregeln, sofern nicht Verfassung,
Gesetz oder rechtsgültiges Herkommen ihnen
eine Sonderstellung einräumt. Auf einen sol-
chen speziellen Titel läßt sich aber ihre behaup-
tete Exemtion von der Gemeindezugehörigkeit
nicht zurückführen. Ubrigens zählen die könig-
lichen Prinzen wohl meist schon als servisbe-
rechtigte Militärpersonen des aktiven Dienst-
standes nicht zu den Gemeindeangehörigen.
Ortel, S. 21, Anm.; v. Marcinowski, S.
23, Anm. 24.
7 M. Reskr. v. 22. Jan. 1852 (V. M. Bl.,
S. 8); Marcinowski, S. 19.