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hätten in einem Streit, den ein Müller mit einem Grafen hatte, dem armen Manne
Unrecht getan. Er bestrafte die Richter und sagte: „Ein Gericht, das Ungerechtig-
keit ausübt, ist gefährlicher und schlimmer als eine Diebesbande. Der geringste
Bauer, ja der Bettler ist ebensowohl ein Mensch wie Se. Majestät, und vor dem
Gerichte sind alle Menschen gleich.“ Wie groß das Vertrauen des Volkes zur Ge-
rechtigkeit des Königs war, zeigt die Geschichte vom Müller zu Sanssouci.
Gleich beim Regierungsantritt verbot Friedrich die Anwendung der grau-
samen Folter. Gegen Ende seiner Regierung ließ er ein Gesetzbuch, das Preußische
Allgemeine Landrecht, ausarbeiten. Dem Heerwesen widmete der König
seine besondere Fürsorge. Bei den Herbstmanövern fürchteten Führer und Soldaten
seinen scharfen Blick. Kaum ein Drittel der Soldaten waren Landeskinder, die
übrigen im Auslande geworbene Söldner. Bei seinem Tode betrug die Stärke des
Heeres 186000 Mann.
5. Kunst und Wissenschaft. Friedrich war selbst ein guter Musiker, und darum
wurde die Musik zu seiner Zeit sehr gepflegt. Wie sein Vorgänger sorgte Friedrich
auch für Schulbildung in seinem Lande. In den Dorfschulen sah es damals noch
recht jämmerlich aus. Es fehlte an ordentlichen Schulhäusern, und als Lehrer wurden
Handwerker, gewesene Bediente und Unteroffiziere angestellt, Leute, die zuweilen
selber kaum schreiben oder lesen konnten. Friedrich erließ daher gleich nach Ab-
schluß des Hubertusburger Friedens ein General-Landschulreglement, dem-
zufolge in allen Dörfern besondere Schulhäuser gebaut und ordentliche Lehrer an-
gestellt werden sollten.
f) Friedrichs Persönlichkeit, letzte Regierungszeit und Tod.
1. Persönlichkeit und Lebensweise. Der große König war von Gestalt nur
klein, im Alter etwas gekrümmt. Aber das Feuer seiner großen Adleraugen verriet
auch da noch seinen großen Geist.
Bald nach Beendigung des zweiten Schlesischen Krieges ließ er sich nahe bei
Potsdam das Lustschloß Sanssouci bauen. Dort verbrachte er den größten Teil
des Jahres, jeden Tag in streng geregelter Tätigkeit. „Der König, sagte er, „ist
der erste Diener seines Staates.“ Im Sommer stand er schon um 3 Uhr,
selten nach 4 Uhr auf. Vor Tisch ritt er gewöhnlich aus, immer im Trab oder Galopp.
Bei großer Kälte ging er auch wohl zu Fuß; aber sowohl beim Reiten als beim Gehen
trug er einen Krückstock und war in der Regel von 3 bis 4 Windspielen, seinen Lieb-
lingen, begleitet. Die Unterhaltung bei Tische war meist sehr lebhaft. Gegen Abend
veranstaltete der König gewöhnlich ein Konzert in seinem Schlosse; dabei spielte
er dann die Flöte. Erst um Mitternacht ging er zu Bett. Alljährlich im Mai machte
der König Reisen durch sein Land, musterte die Truppen und sah nach, ob alle seine
Beamten ihre Schuldigkeit taten. Auf der Reise hatte jedermann Zutritt zu ihm
und durfte ihm seine Bitte oder Klage vortragen.
2. Letzte Regierungszeit. Bis in sein höchstes Alter war Friedrich für sein
Land tätig, und eine seiner größten Sorgen war jetzt, seinem Lande den Frieden
zu erhalten. Gegen jedermann war er leutselig, und so war er denn der Liebling
seines ganzen Volkes geworden. Gewöhnlich nannte man ihn den „Alten Fritz“.
Nicht selten liefen die Kinder vor und neben ihm her, riefen ihm Lebehochs zu, warfen
ihre Mützen jubelnd empor, wischten ihm auch wohl den Staub von den Stiefeln
und trieben sonst allerlei Possen. Friedrich störte nie ihre Freude, nur wenn sie sein