— 109 — 1
Mitte und sagte: „Kameraden, lebendig übergebe ich diese Festung nicht; hier ist
mein Sarg, wer mich überlebt, lege meine Gebeine da hinein. Wer es nun mit
mir hält, der schwöre: „Preußen oder Tod!“ Alle schwuren, und Pillau wurde
gerettet. Die Festung Kolberg wurde durch Schill, Nettelbeck und Gneisenau
so wacker verteidigt, daß sie von den Franzosen nicht genommen werden konnte.
Nettelbeck war ein Bürger in Kolberg. Er war früher Seemann gewesen und jetzt
bald 70 Jahre alt. Auf sein Bittgesuch an den König erhielt die Festung den Obersten
Gneisenau zum Befehlshaber. Nettelbeck wurde dessen Ratgeber. Überall stand er an der
Spitze, er half bei der Befestigung der Stadt, machte Ausfälle mit und gab sein ganzes Ver-
mögen her, um die Soldaten während der Belagerung zu verpflegen.
b) Blücher. Der Brabste aller Braven jener Zeit war aber Leberecht
Blücher.
Dieser Held wurde 1742 zu Rostock in Mecklenburg geboren. Sein Vater war Guts-
besitzer. Im Alter von 14 Jahren kam Leberecht zu Verwandten nach der Insel Rügen, die
damals den Schweden gehörte. Hier sah er zum erstenmal Husaren, und sofort beschloß er,
auch solch ein schmucker Soldat zu werden. Seine Verwandten wollten aber davon nichts
hören. Da ging er heimlich davon und ließ sich bei den Schweden anwerben. Doch trat er
nach zwei Jahren in das preußische Heer ein. Er machte nun den Siebenjährigen Krieg mit.
Als er jedoch einmal beim Aufrücken übergangen wurde, erbat er sich in trotzigen Worten seinen
Abschied. Friedrich II. bewilligte ihm diesen mit den Worten: „Der Rittmeister von Blücher
ist seiner Dienste entlassen und kann sich zum Teufel scheren.“ 13 Jahre verbrachte nun Blücher
in friedlicher Tätigkeit auf seinem Landgute. Doch länger hielt er es nicht aus. Nach dem
Tode Friedrichs II. trat er wieder als Major in Dienst.
An dem Kriege gegen Frankreich 1806 nahm er als General teil. Als bei Jena
und Auerstädt das preußische Heer geschlagen war, führte er auf dem Rückzuge die
Nachhut. Von allen Seiten hart bedrängt, wandte er sich nach Norden und suchte
Schutz in Lübeck. Mit seinen 15000 Mann verteidigte er sich hier noch wacker gegen
ein feindliches Heer von 80000 Mann. Doch bald unterlag er der Übermacht und
mußte sich mit dem Rest seiner Armee ergeben. Dem Berechte aber fügte er eigen-
händig hinzu: „weil ich kein Brot und keine Munition mehr habe.“
6. Königin Luise auf der Flucht. Die Königin hatte ihren Gemahl ins Feld-
lager begleitet. Am Tage der unglücklichen Schlacht bei Jena und Auerstädt jedoch
reiste sie über Magdeburg nach Berlin. Allein hier war sie bald nicht mehr sicher.
Die Flucht mußte bis nach Königsberg fortgesetzt werden. Die Aufregung und
die Sorge ums Vaterland warfen die edle Königin aufs Krankenbett. Aber das
französische Heer kam immer näher, und die Königin sah sich noch einmal zur Flucht
gezwungen. Mitten im kalten Winter und bei dem fürchterlichsten Sturme und
Schneegestöber wurde sie nun in den Wagen getragen und 20 Meilen weit über
die Kurische Nehrung nach Memel gebracht. Drei Tage dauerte die schreckliche
Reise. Die erste Nacht verbrachte sie auf der Kurischen Nehrung in einer Stube,
deren Fenster zerbrochen waren, so daß der Schnee auf ihr Bett geweht wurde; da-
neben fehlte es ihr an erquickender Nahrung. Seit jener Zeit wurde sie nie wieder
ganz froh und gesund. Jedoch ertrug sie das Unglück mit Mut und Gottvertrauen.
7. Friede zu Tilsit 1807. Im Frühjahre 1807 begann noch einmal das Ringen
mit Napoleon. Bei Preußisch-Eylau blieb der Kampf unentschieden, bei Fried-
land aber wurden die mit den Preußen verbündeten Russen vollständig geschlagen.
Der König konnte den Kampf nicht allein fortsetzen und ergab sich in sein Geschick.
In Tilsit wurde über den Friedeu verhandelt. Auch die Königin Luise erschien
hier und bemühte sich, das Schicksal ihres Landes zu mildern. Aber es war ver-
1807