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gebens. Napoleon nahm alles Land westlich von der Elbe, ließ sich 112 Millionen
Mark Kriegskosten zahlen und stellte (1808) die Bedingung, daß Preußen in den
nächsten 10 Jahren nicht mehr als 42000 Mann Soldaten halten durfte. Aus den
eroberten Ländern westlich von der Elbe bildete er das Königreich Westfalen.
Dieses gab er seinem Bruder Jerome, der seine „lustige“ Residenz auf Wilhelmshöhe
bei Kassel hatte.
8. Napoleons Verhalten gegen Sachsen. Ganz anders als gegen Preußen
handelte Napoleon gegen Sachsen, dessen Armee ihm doch gleichfalls bei Jena ent-
gegen getreten war. Er bot dem Kurfürsten von Sachsen einen Waffenstillstand
an und schickte ihm die Gefangenen (6000) zurück. Später schloß er mit ihm einen
1806 günstigen Frieden und erhob Sachsen zum Königreich, wie er es vorher schon
mit Bayern und Württemberg getan hatte. (Kurfürst Friedrich August III. hieß
nun als König Friedrich August I. Später erhielt er den Beinamen „der
Gerechte“). Nach dem Frieden zu Tilsit gab er dem König auch noch das aus
preußischen und polnischen Gebietsteilen gebildete Herzogtum Warschau. Dadurch
verfeindete sich Sachsen allerdings aufs neue mit Preußen, aber das lag wohl
gerade in Napoleons Absicht. Sachsen mußte dafür dem Rheinbunde beitreten
und versprechen, in den folgenden Kriegen Napoleon ein Hilfsheer zu stellen.
4. Ueugestaltung des preubischen Staates.
1. Steins Reformen. Das Unglück wurde ein guter Lehrmeister für Preußen.
Mit scharfem Blick erkannte die Königin Luise die Quelle der Leiden, die über
Preußen gekommen waren. Sie schrieb damals an ihren Vater:
„Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrichs des Großen, welcher, der Herr
seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten; des-
halb überflügelt sie uns. Das sieht niemand klarer als der König. Noch eben habe ich mit
ihm darüber eine lange Unterredung gehabt, und er sagte, in sich gekehrt, wiederholentlich:
-Das muß auch bei uns anders werden." Von Napoleon können wir vieles lernen, und es
wird nicht verloren sein, was er getan und ausgerichtet hat. Es wäre Lästerung zu sagen,
Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in der Allmächtigen Hand, um das Alte,
welches kein Leben mehr hat, zu begraben.“
Der Freiherr vom Stein schien dem Könige der geeignete Mann zu sein,
um hier Abhilfe zu schaffen; ihm übertrug er daher die Verwaltung seines Landes.
Mit Recht erblickte Stein den Grund vieler übel in der allzugroßen Beschränkung
von Freiheit und Selbständigkeit der einzelnen Staatsbürger. Sein Hauptbestreben
war daher auf folgende Punkte gerichtet:
a) Die Schaffung eines freien Bauernstandes. Bis dahin waren
die Bauern ihrem Gutsherrn erbuntertäuig und mußten ihm mehrere Tage in der
Woche Frondienste leisten und alljährlich Abgaben an Getreide, Geld usw. ent-
richten. Ohne Erlaubnis seines Gutsherrn durfte der Bauer seinen Wohnsitz nicht
verändern, ja nicht einmal heiraten. Seiner Kinder wartete das gleiche Los. Er
hatte darum keine Freudigkeit bei seiner Arbeit, keine Liebe zu seiner Heimat und
darum auch keine rechte Vaterlandsliebe. Stein hob die Erbuntertänigkeit der
Bauern auf. Dadurch wurden sie mit einem Schlage freie Männer, die ihre Acker
verbesserten und bald zu Wohlstand gelangten. Ihre Söhne konnten nun in die
Stadt ziehen und ein Handwerk oder Gewerbe treiben, was ihnen vorher nicht ge-