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stattet war. Der König ging dem Adel mit gutem Beispiel voran und machte auf
den königlichen Gütern allein 47000 Bauern frei.
b) Die Schaffung eines freien Bürgerstandes. Auch die Bürger in
der Stadt erhielten durch Einführung einer neuen Städteordnung größere Frei-
heiten und Rechte. Bis dahin hatten die Städte wenig freien Willen gehabt. Der
Staat gab jeder Stadt einen Bürgermeister und stellte auch die übrigen Beamten
der Stadt an. Ohne höhere Genehmigung durfte der Magistrat auch nicht die geringste
Verfügung erlassen. So kam es, daß städtischer Gemeinsinn fehlte. Die 1808 er-
lassene Städteordnung aber überließ den Städten die Verwaltung ihres Vermögens
und aller ihrer Angelegenheiten. Die Bürgerschaft durfte Stadtverordnete wählen,
die wiederum den Bürgermeister und die übrigen städtischen Beamten zu wählen
hatten. Auch sollte die Bürgerschaft nicht mehr wie bisher nach Zünften und Klassen
mit verschiedenen Rechten geteilt werden: es gab fortan nur ein Bürgerrecht für alle.
c) Die Einführung einer neuen Gewerbeordnung. Bis dahin hatten
die Zünfte die Ausdehnung des Gewerbes vielfach gehemmt. Brauereien, Mühlen
und Bäckereien waren oft an bestimmte Grundstücke gebunden, und der Mühlzwang
nötigte die Bewohner eines bestimmten Umkreises, in einer bestimmten Mühle
mahlen zu lassen. Stein aber hob den Zunft= und Mühlzwang auf, beseitigte die
Vorrechte gewisser Häuser für Bäckereien, Schlachtereien und Brauereien und ent-
fernte so die vielen Beschränkungen, die bis dahin dem Einzelnen beim Broterwerb
oft hinderlich gewesen waren. Diese Gewerbefreiheit führte besonders nach Stein
der Staatskanzler Hardenberg durch.
4) Verbesserung der Staatsverwaltung. An der Spitze der gesamten
Verwaltung stand bisher das Generaldirektorium. Jede Provinz hatte einen Minister.
Nun wurden Minister für bestimmte Fächer gebildet, für Inneres, Finanzen, Außeres,
Krieg und Justiz. Die Minister verkehrten unmittelbar mit dem König. Sie hatten
Gesetze auszuarbeiten und die Verwaltung zu leiten. Die Rechtsprechung wurde
von der Verwaltung getrennt und besonderen Richtern zugewiesen.
2. Heeresverbesserung. Die Bildung eines tüchtigen Heeres übernahm der
General Scharnhorstt.
Sein Vaker war ein hannoverscher Unteroffizier gewesen und hatte sich nachher einen
Bauernhof gepachtet. Der kleine Scharnhorst mußte fleißig auf dem Felde mitarbeiten und
oft das Vieh hüten. Später kam er auf eine Kriegsschule und zeichnete sich hier durch großen
Fleiß aus. 1801 trat er in preußische Dienste. Bei Lübeck wurde er mit Blücher gefangen
genommen. 1807 übertrug ihm der König die Leitung des Kriegswesens.
Bis dahin hatte das Heer größtenteils aus geworbenen Söldnern bestanden;
jetzt wurde die allgemeine Wehrpflicht beschlossen, d. h. jeder gesunde und brauch-
bare Preuße sollte Soldat werden. Zuerst diente er einige Jahre in der Armee
(Linie), dann wurde er Landwehrmann. Die Strafe des Gassenlaufens wurde sofort
abgeschafft. Die enge, unpraktische Kleidung machte einer bequemeren Platz, und
Zopf, Locken und Puder waren fortan aus der Armee verbannt. Die Offizierstellen
wurden nicht mehr dem Adel vorbehalten, sondern sollten jedem offen stehen, der
Kenntnisse und Bildung nachweisen konnte oder sich im Kriege durch Tapferkeit
auszeichnete. — Da nicht mehr als 42000 Mann Soldaten gehalten werden durften,
so wurden monatlich aus jeder Kompagnie fünf, aus jeder Eskadron drei ausgebildete
Soldaten entlassen und ebensoviel Rekruten wieder eingestellt. So hatte man bald
ein Heer von 150000 Mann im Lande.