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Sept.
Ok.
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3. Kampf und Übergabe. In Paris hatte man wohl an 300000 Mann, zum
größten Teile Mobilgarden (eine Art Landwehr), zusammengezogen. Bald hier,
bald dort wurde ein Ausfall gemacht, aber immer wurden die Franzosen von den
Deutschen zurückgeschlagen. Die Pariser lebten in großer Angst. Keinen Abend
mehr brannten sie Gas, aus Furcht, eine Bombe könne einschlagen. Aber erst um
Weihnachten begann die eigentliche Beschießung. Ein Außenwerk nach dem anderen
wurde zum Schweigen gebracht, und immer enger zog sich der Kreis um die Stadt
zusammen. An 20000 Granaten wurden täglich in die Stadt hineingeworfen,
und an verschiedenen Orten entstand Feuer. Schlimmer aber noch war der Mangel
an Lebensmitteln, der sich bald einstellte. Schon seit Mitte Dezember war Pferde-
fleisch ein Leckerbissen geworden. Man verschmähte weder Hund noch Katze und
zahlte für eine Ratte sogar 1—2 Mark. Auch an Holz und Kohlen fehlte es, und
der Winter war bitter kalt. Krankheiten aller Art stellten sich ein; ganz besonders
wüteten die Pocken. Kein Stand, keine Familie blieb von den Leiden und Ent-
behrungen der Belagerung verschont. Von Tag zu Tag wurde die Not größer.
Noch einmal, am 19. Januar, sollte ein Rettungsversuch gemacht werden. Un-
geheure Truppenmassen versuchten in westlicher Richtung den Durchbruch. Aber
die Deutschen hielten hinter den Schanzen wacker stand. Am Abend mußten die
Franzosen wieder zurück; der eiserne Ring blieb geschlossen.
4. Überall Sieg. Während der Belagerung von Paris hatte der König sein
Hauptquartier in dem Schlosse zu Versailles. Fast täglich gingen Nachrichten
von neuen Siegen ein. Schon am 27. September war Straßburg gefallen. Metz
umschloß Prinz Friedrich Karl mit einem eisernen Ring. Es war eine schwere Auf-
gabe, die stark befestigte Stadt zu erobern. Der Hunger sollte sie bezwingen. Man
mußte jeden Augenblick darauf gefaßt sein, daß die gewaltige französische Armee
einen Durchbruch versuchen würde. Die Deutschen warfen hohe Schanzen auf,
zogen Schützengräben und waren Tag und Nacht bereit, jeden Ausfall blutig zurück-
zuweisen. Anhaltender Regen machte den Dienst noch schwerer. Die Soldaten
standen stundenlang im tiefen Schmutz oder lagen in den mit Wasser gefüllten
Schützengräben. Nach dem Dienst fanden sie im nassen Stroh ihrer Laubhütten
keine erquickende Ruhe. Bazaine wartete auf Hilfe von außen. Damit verging
die Zeit. Bald fehlte es an Lebensmitteln, selbst die Pferde waren geschlachtet;
Seuchen hielten ihren verheerenden Einzug. Da öffnete die Stadt am 27. Oktober
ihre Tore. 170000 Mann gerieten in Gefangenschaft. — Es war Zeit, daß die Be-
lagerungstruppen für andere Kriegsarbeit frei wurden. Gambetta hatte inzwischen
das belagerte Paris im Luftballon verlassen und mit großem Eifer neue Heere,
die Loire= und die Nordarmee, aufgestellt und mit Hilfe der Amerikaner und Engländer
ausgerüstet. Die Kriegsflotte des Norddeutschen Bundes war nicht stark genug,
die Einfuhr der Waffen zu hindern. Die neuen Heere sollten Paris befreien. Überall
bildeten sich Freischaren (Franktireurs), die das Land durchstreiften und in Wald
und Feld den Deutschen auflauerten. Prinz Friedrich Karl konnte sich jetzt
zur Unterstützung der Bayern gegen die französische Loirearmee wenden, die er
bei Orleans (4. Dez.) und Le Mans (10.—12. Jan.) vernichtete. General Göben
besiegte die Nordarmee bei St. Quentin (19. Jan.). Im Südosten hatte General
Werder, der Eroberer Straßburgs, gegen den Freischarenführer Garibaldi harte
Kämpfe zu bestehen. Dann erschien hier Bourbaki in der Absicht, die Verbindung