Full text: Sächsisches Realienbuch enthaltend Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mineralogie

— 139 — 1 
ich das Werk aufzufassen, um in Dentut Gottes Führung und seine Gnade zu 
preisen.“ Sein Wahlspruch war: „Gott mit uns!“ 
2. Wohnung. Wenn der Kaiser in Berlin weilte, so bewohnte er nicht das 
prächtige königliche Schloß, sondern sein einfaches Palais am Eingange „Unter den 
Linden“, dem Denkmale Friedrichs des Großen gegenüber. Das erste Fenster links 
in der Front ist das „historische Eckfenster“, nach dem die Besucher der Hauptstadt 
oft stundenlang hinüberschauten, um ihren geliebten Kaiser zu sehen, wenn er vom 
Arbeitstische aufstand und einmal ans Fenster trat, um sich zu erholen. So oft sich 
der Kaiser zeigte, brausten ihm Jubelrufe entgegen, und „manche Mutter hob ihr 
Kind auf, daß es sähe des alten Kaisers freundliches Gesicht“. Nicht selten sah man 
auch in der Menge Bittsteller, die sich hier dem Kaiser bemerklich machen wollten. 
3. Einfachheit. Der Kaiser Wilhelm war in allem sehr einfach. Als Schlaf- 
stätte diente ihm ein einfaches Feldbett, das er sogar auf seinen Reisen mit sich nahm. 
Das Bett bestand aus einem eisernen Gestelle, einer Matratze und einigen wollenen 
Decken. Schlafrock und Pantoffeln waren ihm unbekannte Dinge, und von früh 
bis spät sah man ihn gewöhnlich in der Uniform seines Garderegiments, in der er 
auch auf seinen Wunsch beigesetzt worden ist. Von seinen täglich gebrauchten Klei- 
dungsstücken konnte sich der Kaiser nur schwer trennen. So benutzte er z. B. auf 
seinen Spazierfahrten einen Mantel, der ihm schon mehr als 25 Jahre gedient hatte. 
4. Im Felde. Der Kaiser war Soldat mit Leib und Seele, und so oft seine 
Truppen ins Feld rückten, war er ihr Führer und teilte mit ihnen die Mühen und 
Gefahren des Krieges. An Schlachttagen folgte er meist zu Pferde dem Gange der 
Ereignisse, und mehr als einmal geriet er dabei in Lebensgefahr. Besonders rührend 
war seine Teilnahme für die .. 
Verwundeten. Sehr oft besuchte 
er die Lazarette, erkundigte sich 
genau bei den Kranken, ob es 
ihnen auch nicht an Pflege und 
Erquickung fehle, ging von Bett 
zu Bett und sprach in freund. 
lichster Weise mit jedem einige 
Worte. 
5. Pflichttreune. Von früh 
bis spät war der Kaiser unaus- 
gesetzt tätig. Mit der größten 
Gewissenhaftigkeit erledigte er 
alle Regierungsgeschäfte, und nur 
wenige Stunden waren der Er- 
holung gewidmet. Selbst im 
höchsten Alter gönnte er sich noch 
keine Ruhe. Einmal bat ihn sein - 
Leibarzt recht dringend, des Kaiser Wilhelm J. vollzieht die letzte Unterschrift. 
schlechten Wetters wegen doch 
der angesetzten Parade nicht beizuwohnen, da sonst das Schlimmste zu befürchten 
sei. „Dann sterbe ich wenigstens im Dienste,“ sagte der Kaiser ruhig und ritt 
munter zum Tore hinaus. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.