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ich das Werk aufzufassen, um in Dentut Gottes Führung und seine Gnade zu
preisen.“ Sein Wahlspruch war: „Gott mit uns!“
2. Wohnung. Wenn der Kaiser in Berlin weilte, so bewohnte er nicht das
prächtige königliche Schloß, sondern sein einfaches Palais am Eingange „Unter den
Linden“, dem Denkmale Friedrichs des Großen gegenüber. Das erste Fenster links
in der Front ist das „historische Eckfenster“, nach dem die Besucher der Hauptstadt
oft stundenlang hinüberschauten, um ihren geliebten Kaiser zu sehen, wenn er vom
Arbeitstische aufstand und einmal ans Fenster trat, um sich zu erholen. So oft sich
der Kaiser zeigte, brausten ihm Jubelrufe entgegen, und „manche Mutter hob ihr
Kind auf, daß es sähe des alten Kaisers freundliches Gesicht“. Nicht selten sah man
auch in der Menge Bittsteller, die sich hier dem Kaiser bemerklich machen wollten.
3. Einfachheit. Der Kaiser Wilhelm war in allem sehr einfach. Als Schlaf-
stätte diente ihm ein einfaches Feldbett, das er sogar auf seinen Reisen mit sich nahm.
Das Bett bestand aus einem eisernen Gestelle, einer Matratze und einigen wollenen
Decken. Schlafrock und Pantoffeln waren ihm unbekannte Dinge, und von früh
bis spät sah man ihn gewöhnlich in der Uniform seines Garderegiments, in der er
auch auf seinen Wunsch beigesetzt worden ist. Von seinen täglich gebrauchten Klei-
dungsstücken konnte sich der Kaiser nur schwer trennen. So benutzte er z. B. auf
seinen Spazierfahrten einen Mantel, der ihm schon mehr als 25 Jahre gedient hatte.
4. Im Felde. Der Kaiser war Soldat mit Leib und Seele, und so oft seine
Truppen ins Feld rückten, war er ihr Führer und teilte mit ihnen die Mühen und
Gefahren des Krieges. An Schlachttagen folgte er meist zu Pferde dem Gange der
Ereignisse, und mehr als einmal geriet er dabei in Lebensgefahr. Besonders rührend
war seine Teilnahme für die ..
Verwundeten. Sehr oft besuchte
er die Lazarette, erkundigte sich
genau bei den Kranken, ob es
ihnen auch nicht an Pflege und
Erquickung fehle, ging von Bett
zu Bett und sprach in freund.
lichster Weise mit jedem einige
Worte.
5. Pflichttreune. Von früh
bis spät war der Kaiser unaus-
gesetzt tätig. Mit der größten
Gewissenhaftigkeit erledigte er
alle Regierungsgeschäfte, und nur
wenige Stunden waren der Er-
holung gewidmet. Selbst im
höchsten Alter gönnte er sich noch
keine Ruhe. Einmal bat ihn sein -
Leibarzt recht dringend, des Kaiser Wilhelm J. vollzieht die letzte Unterschrift.
schlechten Wetters wegen doch
der angesetzten Parade nicht beizuwohnen, da sonst das Schlimmste zu befürchten
sei. „Dann sterbe ich wenigstens im Dienste,“ sagte der Kaiser ruhig und ritt
munter zum Tore hinaus.