Full text: Sächsisches Realienbuch enthaltend Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mineralogie

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9. 6. Tod. Am 9. März 1888 starb Kaiser Wilhelm im Alter von fast 91 Jahren. 
Ms Noch wenige Tage vorher hatte er die Regierungsgeschäfte in gewohnter Weise er- 
ledigt. Selbst am Tage vor seinem Tode noch vollzog er mit zitternden Händen 
eine Unterschrift — die letzte in seinem Leben —, die darum auch als teures An- 
denken aufbewahrt wird. Eine Erkältung warf ihn auf das Kranken= und Sterbe- 
bett. Langsam, wie ein verlöschendes Licht, schwanden seine Kräfte dahin. Ihm 
zur Seite saß die Kaiserin, seine Hand fest in der ihrigen haltend. Auch der Prinz 
Wilhelm und die übrigen Mitglieder der königlichen Familie, sowie Bismarck um- 
standen das Sterbebett. Nur der Kronprinz weilte fern in Italien, um daselbst 
Heilung von seinem schweren Halsleiden zu suchen. „Ach, könnte ich doch Fritz nur 
noch einmal in die Arme schließen!“ seufzte der sterbende Vater. 
Unter Trostsprüchen des Hofpredigers wie: Ob ich schon wanderte im finsteren Tal 
— Unser keiner lebt ihm selber — Wenn ich einmal soll scheiden — nahte die Todesstunde. 
Als ihn seine Tochter Luise, Großherzogin von Baden, fragte: „Bist du müde, Vater?“ ent- 
gegnete er flüsternd: „Ich habe jetzt keine Zeit, müde zu sein!“ Gegen 8½ Uhr morgens nahm 
das Antlitz des Sterbenden einen überaus friedlichen Ausdruck an. Noch einmal öffnete der 
Kaiser die Augen und blickte mild auf die um ihn knieenden Lieben — und sanft ging seine 
Seele zur ewigen Ruhe ein. 
Acht Tage später wurde er, wie er gewünscht hatte, im Mausoleum zu Char- 
lottenburg neben seiner von ihm so sehr geliebten Mutter beigesetzt. Was wir an 
ihm verloren, hat sein erhabener Sohn und Nachfolger so schön ausgesprochen, wenn 
er in seinem Aufruf an sein Volk sagt: „In ihm verlor Preußens Volk seinen ruhm- 
gekrönten König, die deutsche Nation den Gründer ihrer Einigung, das wieder- 
erstandene Reich seinen ersten Kaiser.“ 
0) Bismarck und Moltke — zwei treue Diener des Königs. 
1. Fürst Bismarck. „Ein treuer, deutscher Diener Kaiser Wilhelms I.“ war 
1, der Fürst Bismarck. Als er am 1. April 1815 zu Schönhausen a. d. Elbe geboren 
April wurde, hatte in Frankreich eben Napoleons Herrschaft der „hundert Tage“ begonnen, 
1815 die in der Schlacht bei Belle Alliance wieder zusammenbrach. Der Wiener Kongreß 
war noch daran, die Verhältnisse in Europa zu ordnen. Er gab Deutschland weder 
den verdienten Länderzuwachs noch ein starkes Oberhaupt. Der ohnmächtige 
Frankfurter „Bundestag“" trat an die Spitze des vielgestaltigen deutschen Staaten- 
bundes. Vor allen Dingen war Preußen für seine gewaltigen Leistungen im Be- 
freiungskriege nicht die ihm zukommende Machtstellung bewilligt worden. So 
waren, als das Knäblein noch in der Wiege lag, schon die Ziele seines späteren 
Wirkens gegeben. — Nach Vollendung seiner juristischen Studien verwaltete Bis- 
marck zwei Güter seines Vaters in Pommern. In den Jahren 1848 und 1849 
trat er zum erstenmal öffentlich hervor und lenkte durch seine unentwegte Königs- 
treue, seinen Mut und seine schneidige Schlagfertigkeit im Reden die Augen der 
Freunde wie der Gegner auf sich. Der König schickte darum den rechten Mann, 
als er Bismarck zum Bundestagsgesandten in Frankfurt machte. Preußen hatte 
nach 1848 durch sein Schwert die Ordnung in Deutschland wieder hergestellt und 
verlangte nun größeren Einfluß in Norddeutschland. Es wurde aber gezwungen, 
den Bundestag, in dem Osterreich herrschte, wieder anzuerkennen. Bismarck wußte 
in Frankfurt die Stellung Preußens geschickt und tatkräftig zu wahren. Von der 
Zeit an stand es bei ihm fest: Wenn aus Deutschland etwas werden sollte, so mußte
	        
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