Full text: Sächsisches Realienbuch enthaltend Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mineralogie

III — 50 — 
sörmigen Enden maucher Pflanzen bemerken wir die Fruchtschüsseln. Sie 
enthalten kleine, senkrecht gestellte Schläuche, in jedem Schlauche finden sich 
acht Sporen. 
An dem Flechtenlager unterscheiden wir außen die Rindenschicht, im Innern das 
Mark. Zwischen beiden liegen zahlreiche rundliche Zellen, Brutzellen genannt, die bei 
alten Flechten die Rinde durchbrechen und als Bruthäufchen an die Oberfläche treten. 
Sie sind die einzigen Zellen der Flechte, die Blattgrün enthalten wie die höheren Pflanzen 
und die Algen. Die Brutzellen sind Algen. Der übrige Teil der Flechte ist ein Pilz; 
beide haben sich in der Flechte zu einer Lebensgemeinschaft vergesellschaftet. Von der 
Richtigkeit dieser Ansicht hat man sich dadurch zu überzeugen 
gesucht, daß man auf gewisse Algenarten Flechtensporen säte, die 
dann wieder zu der Gestalt der Mutterflechte auswuchsen, während 
die auf algenfreier Erde gesäten Sporen derselben Flechte zu- 
grunde gingen. 
2. Lebenszähigkeit. Die isländische Moosflechte begnügt 
sich mit dem dürftigsten Boden und der kärglichsten Nahrung. 
Jahrelang kann sie fasten, ohne zugrunde zu gehen. Fehlt 
ihr die nötige Feuchtigkeit, so trochnet sie zwar zusammen 
und wird knorpelig. Stellt sich aber Feuchtigkeit ein, so 
grünt sie lustig wie zuvor. Ja, man hat Beispiele, daß 
Flechten, die 12 Jahre in einem Herbarium lagen, wieder 
auflebten, als man sie mit Feuchtigkeit versorgte. 
3. Nutzen. Im Norden ist die isländische Moosflechte 
neben der Renntierflechte die hauptsächlichste Nahrung des 
Renntiers, und in Zeiten der Not vermischt sie der Eskimo 
sogar mit seinem Brote. Den Brustleidenden wird sie 
wegen des in ihr enthaltenen Bitterstoffs als Arzneimittel 
empfohlen, und da sie Gummi und Stärkemehl enthält, 
so benutzt man sie auch zum Gummieren des Zeuges. 
Im Glutsande der unfruchtbaren Sahara wachsen ebenfalls 
eßbare Flechten, z. B. die Mannaflechte, ebenso in der 
Kirgisensteppe, wo sie „Erdbrot“ heißen. 
4. Formenreichtum der Flechten. Es gibt über 1000 
Flechtenarten, die über die ganze Erde verbreitet sind. 
Vorzugsweise kommen sie in der kalten Zone vor. Auch 
die Berghöhen sind sehr reich an Flechten. Viele von ihnen 
ak. Saftföden, ve. Sporen= sind strauchartig, wie die Astflechte an Bretterzäunen und 
ls ered Picbewede, Baumstämmen, die Bartflechte, die gleich Bärten an 
kures r en anedhst. Baumzweigen herabhängt, und die Renntierflechte. Andere 
haben laubartigen Wuchs, wie die Schüsselflechten an 
Baumstämmen, Brettern, Mauern und Felsen. Noch andere bilden krustenförmige 
Überzüge an Holz und auf Steinen, wie die Kuchen= und Scheibenflechten. 
5. Flechten als Pioniere der Pflanzenwelt. In der Flechte haben sich 
zwei ganz verschieden begabte Pflanzen zusammengefunden, Alge und Pilz. Die 
Alge kann aus Wasser, Kohlensäure und Nährsalzen Pflanzenstoff bereiten, aber 
sie kann ohne Feuchtigkeit nicht leben. Der Pilz kann sich in die härtesten Stoffe 
bohren, selbst in Eisengitter, aus jeder Unterlage Wasser und Nährsalze nehmen, 
  
Querschnitt durch eine 
Flechte.
	        
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