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Wasserpflanzen werden von dem Wasser fortgetragen (Sumpfdotterblume, gelbe
Teichrose). Die Früchte der Mistel werden von der Misteldrossel gepflückt. Diese
verzehrt das Fruchtfleisch und streift die Samen an den Baumästen ab, wo sie
durch ihren leimartigen Saft festgeklebt werden. Das zierliche efeublättrige Lein-
kraut wächst an Mauern; seine Fruchtstiele drehen sich so, daß die Samen in
die Mauerritzen gesteckt werden.
84 Bewegungserscheinungen bei den Pflanzen.
1. Zu dem Wunderbarsten im Pfflanzenleben gehören die Bewegungs-
erscheinungen, die wir bei manchen Pflanzen wahrnehmen. So sschließt z. B. der
Löwenzahn jeden Abend seine Blüten, und erst mit der aufgehenden Sonne
öffnet er sie wieder. Bei trübem, regnerischem Wetter sind die Blüten auch am
Tage geschlossen. Der Schaft biegt sich dann etwas, so daß die Blume nickend
wird. Die Blüten sind so vor zu starker Wärmeausstrahlung und der Pollen und
Honig gegen Regen geschützt. Ganz ähnlich verhalten sich Habichtskraut, Wiesen-
bocksbart, Winde usw. Der rote Wiesenklee hebt seine Blätter zur Nachtzeit
langsam nach oben und senkt sie dann wieder. Nicht mit Unrecht spricht man
deshalb von einem Blumenschlafe. Bei vielen Pflanzen tritt er zu ganz
bestimmten Stunden ein. Die Teichrose öffnet z. B. ihre Blüten morgens um
7 Uhr und beginnt sie nachmittags um 4 Uhr zu schließen; der Flachs hat
seine Blüten in der Regel nur von 5 Uhr bis gegen Mittag geöffnet. (Wie
kann sich der Gärtner eine Blumenuhr herstellen?)) Bekannt ist ja auch, daß
sich viele unserer Topfpflanzen im Zimmer dem Lichte zuwenden. (Heliotrop
— Sonnenwende.) Beobachte die verschiedene Stellung der Fiederblättchen
der falschen Akazie a) bei bedecktem Himmel, b) bei grellem Sonnenschein,
I) bei eintretender Dunkelheit.
2. Wahrhaft in Erstaunen versetzt uns der rundblätterige Sonnentau auf
sumpfigen Plätzen und Torffümpfen Norddeutschlands. Seine runden Blätter
sind am Rande mit langen Drüsenhaaren besetzt, denen ein klebriger Saft ent-
quillt. Sobald eine Fliege, durch den Saft angelockt, das Blatt berührt, wird
sie zunächst durch die klebrige Masse festgehalten. Dann aber biegen sich die
Haare um und schließen das Tier von allen Seiten ein. Erst nach einigen
Tagen öffnet sich das Blatt wieder, und dann findet man nur noch die harten
Überreste des Tierchens; denn die Weichteile sind von dem Safte aufgelöst und
von dem Blatte eingesogen worden.
85. Bagebutten und Schlafäpfel. II. (S. 43.)
1. Hagebutten. Der Rosenmonat ist zwar dahin, und die Rosenstöcke sind
ihrer duftigen Blüten längst entkleidet. Aber auch noch im Herbste gewährt uns
die Hundsrose einen herrlichen Anblick, wenn sie sich in den Scharlachmantel
ihrer roten Früchte gehüllt hat. Die rote Farbe ist eine Lockfarbe. Sie lockt
Vögel an, die die Früchte fressen und den Samen ausbreiten. Die Früchte
heißen Hagebutten (Hag = lebendige Hecke, Butte = tonnenartiges Gefäß).
Die Butte umschließt als Schutzhülle eine Menge harter Nüßchen, die aus den
Fruchtknoten entstanden und zwischen borstenartigen Haaren eingebettet sind; die
Haare reizen die Schleimhäute und veranlassen die Vögel, nur das Fruchtfleisch