Full text: Sächsisches Realienbuch enthaltend Geschichte, Erdkunde, Naturgeschichte, Physik, Chemie und Mineralogie

— 141 — III 
153. Das Renntier. 
1. Heimat, Gestalt und Nahrung. Das Renntier ist etwa so groß wie ein 
Damhirsch, aber plumper und sieht im Sommer braun, im Winter weißgrau 
aus. (Schutzfarbe.) Es bewohnt den Norden Europas, Asiens und Amerikas, 
jene Gegenden, wo Pferd, Schaf und Rind der Kälte wegen nicht mehr ge- 
deihen. Zum Aufenthalte in jenen Gegenden sind seine Füße ganz vorzüglich 
geeignet. Die Hufe sind nämlich sehr breit, so daß es mit Leichtigkeit sowohl 
über die zahlreichen Moräste des Sommers als auch über die weiten Schnee- 
decken des Winters hinwegeilen und geschickt an den Gletschern hinaufklettern 
kann. Was das Renntier aber vor allem zum Aufenthalte im hohen Norden 
geeignet macht, das ist seine Genügsamkeit. Seine Nahrung besteht hauptsächlich 
aus der Renntierflechte, die dort überall wächst und oft 
wie ein weißgrauer Teppich den Boden meilenweit bedeckt. 
Im Winter scharren sich die Renntiere, solange der Schnee 
weich ist, mit den Vorderfüßen ihre Nahrung unter dem 
Schnee hervor. Ob auch mit dem Geweih, ist zweifelhaft. 
2. Nutzen. Dem nördlichen Bewohner — namentlich 
dem Lappen — ist das Renntier unentbehrlich, da es fast 
alle seine Bedürfnisse befriedigt. Auf den vielen Wanderungen 
des Lappen, die sein Nomadenleben mit sich bringt, trägt 
ihm das Renntier sein Zelt und Hausgerät. Vor den Vorderfuß des 
bootähnlichen Schlitten gespannt, durcheilt es an einem Renntiers. 
Tage 100—150 km. Die fette Milch des Tieres wird ge- 
trunken, oder man bereitet Käse daraus. Im Herbste schlachtet der Lappländer 
je nach Vermögen eine Anzahl Renntiere. Das Fleisch ist sehr schmackhaft. Aus 
den Knochen werden Löffel, Messer, Nadeln u. dgl. geschnitzt. In den Blasen 
wird Milch und Tabak aufbewahrt und aus den Sehnen und Gedärmen Zwirn 
bereitet. Die Haut dient als Kleidung und das Geweih zu allerlei Gerätschaften. 
3. Pflege. Dieses großen Nutzens wegen hat der Lappe das Renntier auch 
schon vor langer Zeit gezähmt. Hat er 500 Renntiere, so kann er sorgenfrei 
leben. Wer aber 800 und noch mehr sein eigen nennt, gilt für einen reichen 
Mann. Die Bewachung einer solchen Renntierherde ist sehr beschwerlich, sowohl 
im Winter, als auch im Sommer. Im Winter tritt bei der Schneekruste nicht 
selten Futtermangel ein, oder es dringen in die Herden auch wohl Scharen von 
Wölfen ein, die den Besitzer in einer Nacht zum armen Manne machen können. 
Im Sommer aber werden die Renntiere von den Mückenschwärmen und Bremsen 
des Nordens oft furchtbar gequält. Die Bremsen legen ihre Eier in die Haut. 
Die auskriechenden Maden aber erzeugen dort Geschwüre, die den Renntieren 
große Qualen verursachen. Um diesen zu entgehen, flüchten die Renntiere im 
Sommer auf die kühleren Gebirge oder in nördlichere Lagen. Im Herbste aber 
kehren sie der Kälte wegen wieder zurück. Auf diese Weise zwingen sie ihre Be- 
sitzer, die ihnen dabei folgen müssen, zu einem steten Wanderleben. 
154. Das einböckerige Kamel (Dromecar). 
1. Heimat und Aussehen. Das Kamel lebt in den Wüsten Asiens und 
Afrikas. Dem Wüstenbewohner ist das Tier unentbehrlich. Mit seiner Milch 
 
	        
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