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Heißer Sonnenbrand erschlaffte die Glieder, und bald fehlte es auch an Lebens-
mitteln. Endlich erreichte man das von den Türken besetzte Antiochien. Die
Stadt wurde neun Monate lang belagert und dann durch Verrat genommen. Nun
war der Weg nach Jerusalem frei.
7. Eroberung Jerusalems. Um die Pfingstzeit 1099 erreichte das Heer endlich
Jerusalem. Beim Anblick der heiligen Stadt fielen alle auf die Knie und stimmten
Lobgesänge an. Die Stadt wurde von 40000 Kriegern verteidigt, die Kreuzfahrer
aber hatten nur noch 20000 kampffähige Männer. Nach einer Belagerung von
vier Wochen wurde dennoch die Stadt erstürmt, und mit dem Rufe: „Gott will es!“
drangen die Sieger in die Stadt ein. Schrecklich war das Los der Besiegten. Über
die Treppe der Moschee rieselte das Blut der erschlagenen Sarazenen; die Juden
wurden in ihrer Synagoge verbrannt; kein Alter, kein Geschlecht blieb verschont.
Die Straßen füllten sich mit Leichen, und die Luft ertönte vom Jammergeschrei
der Verwundeten und Sterbenden.
8. Gottfried wird Beschützer des heiligen Grabes. Nachdem die Rache ge-
stillt war, zogen die Krieger zur Kirche des heiligen Grabes und dankten Gott
für den endlich errungenen Sieg. Dann erwählten sie Gottfried zum Könige von
Jerusalem; dieser aber lehnte die Krone mit den Worten ab: „Wo mein Heiland
eine Dornenkrone getragen, will ich keine Königskrone tragen.“ Er nannte sich
nur „Beschützer des heiligen Grabes“. Schon ein Jahr später starb er. Nun wurde
sein Bruder Balduin zum Könige von Jerusalem erwählt.
9. Die späteren Krenzzüge. Im Laufe der beiden nächsten Jahrhunderte
wurden noch sechs Kreuzzüge unternommen, einer sogar von Knaben und Mädchen.
In Pilgertracht gekleidet und von einigen Priestern und Mönchen geleitet, zogen
die Kinder in großen Scharen nach dem Mittelmeere, um sich daselbst einzuschiffen.
Viele aber erlagen den Anstrengungen des Weges, andere fielen Seeräubern in die
Hände, und nur wenige kehrten, von ihrer Schwärmerei geheilt, in die Heimat zurück.
Obwohl mehr als sechs Millionen Menschen ihr Leben für die Eroberung des Heiligen
Landes dahingegeben hatten, so konnte man sich doch nicht dauernd den
Besitz desselben sichern. Jerusalem, Bethlehem u. a. eroberte Städte gingen
nach und nach wieder in die Hände der Türken über, und 1291 mußte nach dem un-
glücklichen Ausgange des siebenten Kreuzzuges auch Akkon, die letzte „fränkische"
Besitzung, abgetreten werden. Damit hatten die Kreuzzüge ihre Ende erreicht.
10. Einfluß der Kreuzzüge auf die Kultur. Wenn durch die Kreuzzüge ein
äußerer Erfolge auch nicht erzielt worden ist, so sind sie doch für die Entwickelung
der europäischen Kultur von großer Bedeutung gewesen. Durch sie gewann der Papst,
der ja als der eigentliche Oberbefehlshaber angesehen wurde, ganz bedeutend an An-
sehen. Durch sie wurde der Ritterstand begeistert, sein Schwert dem Dienste Gottes
zu widmen und für die Ausbreitung des Evangeliums zu wirken. (Ritterorden
S. 44.) Den reichsten Gewinn aber trugen die Städte davon. In den fremden
Ländern und Städten lernte man fremde Sitten und Gebräuche, Künste und Ge-
werbe kennen. Bald entwickelte sich nun auch in der Heimat das Gewerbe zu großer
Blüte; man fing an, mit fernen Ländern Handel zu treiben, und so gelangten die Bürger
in den Städten zu großem Wohlstande. Auch für die Bauern waren die Kreuzzüge
nicht ohne wichtige Folgen: viele Leibeigene erlangten durch ihre Teilnahme Frei-
heit und Selbständigkeit.