— 66 — 1
des Menschen könne der Sünde wegen nach dem Tode nicht sofort mit Gott vereint
werden. Sie müsse vielmehr erst durch das Fegefeuer von allen bösen Lüsten
und Begierden gereinigt werden. Doch könne die Qual im Fegefeuer dadurch ver-
kürzt werden, daß man für die Verstorbenen Messen (Gebete) lesen lasse. Reiche
Leute setzten in ihrem Testament oft große Summen für solche Messen aus. Diese
Lehre brachte daher der Kirche viel ein. Aber noch einträglicher als die Lehre vom
Fegefeuer war die Lehre vom Ablaß. Wenn nämlich ein Übeltäter vom Priester
zum Fasten, zur Geißelung, zur Wallfahrt usw. verurteilt war, so konnte er sich durch
Geld von diesen Strafen loskaufen. Er erhielt dann einen Schein, daß ihm die
Strafen erlassen seien. Beim Volke bildete sich daher allmählich der Glaube aus,
daß man sich durch Geld auch von den ewigen Strafen freimachen könne.
An die Stelle der allgemeinen Beichte war die Ohrenbeichte (Bekenntnis
jeder einzelnen Sünde) getreten, der Heiligendienst sowie die Verehrung der
Reliquien hatte überhand genommen, und beim Abendmahl entzog man den
Laien den Kelch. Nur der geweihte Priester durfte den Wein trinken, damit kein
Tropfen des Blutes Christi verschüttet würde. Besonders aber erregte das gottlose
Leben vieler Geistlichen Anstoß. Ein Papst wurde wegen Meineides, Gottes-
lästerung, Mordes und Ehebruchs abgesetzt, und Johann XXIII. war sogar in seiner
Jugend Seeräuber gewesen. Er hatte noch zwei Gegenpäpste, und so gab es drei
Päpste auf einmal, die sich gegenseitig verfluchten und in den Bann taten. Und
wie das Haupt, so die Glieder. Die Priester waren meist sehr unwissend und führten
oft kein Gott gefälliges Leben. Das Volk wurde in Dummheit und Aberglauben
erhalten. Wer in der Bibel las, wurde sogar als Ketzer bestraft.
2. Hus. Gegen die Irrlehren der Kirche trat am Ende des 14. Jahrhunderts
zuerst Johann Hus öffentlich auf.
Er war Prediger zu Prag und zugleich Lehrer an der dortigen Hochschule. Durch seinen
Freund Hieronymus lernte er die Schriften des Engländers Wykliff kennen. In diesen waren
die Irrlehren der Kirche scharf angegriffen. Hus erkannte, daß Wylkliff recht hatte.
Freimütig geißelte Hus mit scharfen Worten die Sünden der Geistlichen, ver-
warf Ohrenbeichte und Ablaß, Heiligenverehrung und Bilderdienst und mahnte zur
Umkehr. Besonders eiferte er auch dagegen, daß man dem Volke den Kelch beim
h. Abendmahl entziehe. Die Priester aber waren erbost über Hus und brachten
die Sache vor den Papst. Dieser verbot ihm das Predigen, tat ihn in den Bann
und sprach über die Stadt Prag, die es mit Hus hielt und die Ablaßbulle unter dem
Galgen verbrannt hatte, den Kirchenbann aus. Während desselben blieben die
Kirchen verschlossen, die Glocken verstummten. Kein Geistlicher durfte den Toten
zu Grabe folgen, und die Taufen und Trauungen mußten auf dem Kirchhofe voll-
zogen werden.
3. Konzil zu Konstanz. Bald darauf bewog Kaiser Sigismund den Papst,
eine Kirchenversammlung nach Konstanz zu berufen. Hier sollte eine Re-
formation der Kirche an Haupt und Gliedern vorgenommen werden. Hus ver-
langte, von dem Konzil gehört und beurteilt zu werden. Der Kaiser gab ihm einen
Geleitsbrief, worin er ihm seinen besonderen Schutz zusagte, und auch der Papst
versprach, es solle ihm kein Leids geschehen, und wenn er auch des Papstes Bruder
ermordet hätte. Als aber Hus in Konstanz ankam, warf man ihn noch vor dem
Verhör in ein ekelhaftes, ungesundes Gefängnis. Sigismund war hierüber unwillig;
Eeschichte für sächsische Schulen. 5