1547
Unter dem Schutze des
Frühnebels setzten die
Kaiserlichen an einem
Sonntage durch den Fluß.
Der Bauer führte das
Pferd des Kaisers am
Zügel, und jeder der kai-
serlichen Reiter nahm
einen Fußknecht mit sich
hinten aufs Pferd. Der
Kurfürst war gerade in
der Kirche. Hier erfuhr
er, daß der Kaiser gegen
ihn im Anzuge sei; den-
noch wartete er, bis der
Gottesdienst zu Ende war.
Dann bestieg er einen
Wagen und fuhr auf die
Lochauer Heide hinaus.
Gleich beim ersten An-
sturm ergriffen seine Rei-
ter die Flucht. Der
Kurfürst verließ seinen
Weagen, bestieg ein Pferd
und jagte davon. Bald
aber holten ihn un-
garische Husaren ein und
nahmen ihn gefangen,
nachdem sie ihn durch einen Hieb ins Gesicht arg verwundet hatten.
Mit blutigem Gesicht und Panzer kam er zum Kaiser, kniete vor ihm und redete ihn an:
„Allergnädigster Kaiser" „So? entgegnete Karl, „bin ich nun Euer gnädigster Kaiser? So
habt Ihr mich lange nicht geheißen!“ Da sagte der Kurfürst: „Ich bin Ew. Kaiserlichen Majestät
Gefangener und bitte um ein fürstliches Gefängnis.“ „Wohl, gab der Kaiser zur Antwort,
„Ihr sollt gehalten werden, wie Ihr es verdient,“ und ließ ihn ins kaiserliche Lager ab-
führen.
Nun schloß der Kaiser des Kurfürsten Hauptstadt, das feste Wittenberg, ein.
Um es zur Übergabe zu zwingen, ließ er den Kurfürsten zum Tode verurteilen, doch
wagte er nicht, das Urteil zu vollstrecken. Wittenberg öffnete seine Tore. Der Kaiser
zog in die Stadt ein, behandelte sie aber mit Milde. Doch mußte der Kurfürst die
„Wittenberger Kapitulation“ unterzeichnen, worin er für sich und seine Nachkommen
für immer auf die Kurwürde verzichtete. Das Todesurteil wurde in ewige Ge-
fangenschaft verwandelt.
5. Moritz von Sachsen. a) Des Kaisers Bundesgenosse. Bei diesem
Kriegszuge hatte der junge Herzog Moritz von Sachsen dem Kaiser wesentliche Dienste
geleistet. Obwohl Moritz, der Sohn Heinrichs des Frommen und der Schwieger-
sohn Philipps von Hessen, protestantisch war, hatte er sich doch infolge von Zwistig-
keiten, die zwischen ihm und seinem ernestinischen Vetter Johann Friedrich aus-
Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige von Sachsen,
Nach einem Gemälde von Tizian.