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erste Kriegsjahr sich zum Ende neigte. Weihnachten wurde auch
in Margency unter strahlenden Tannenbäumen gefeiert. Die
Liebesgaben der Kronprinzeß fehlten nicht im Feindeslande. In
der sächsischen Heimat aber stieg aus tiefstem Herzen der Wunsch
zum Himmel: „Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden
und den Menschen ein Wohlgefallen!“
Der Krieg sollte vor seinem Ende noch die Neubegründung
des deutschen Reiches sehen. Die Kaiserproklamation fand be-
kanntlich am 18. Januar 1871 in der Spiegelgalerie zu
Versailles statt. Fast ein halbes Jahrhundert war erfüllt gewesen
mit Versuchen, eine festere Vereinigung der deutschen Staaten
und Stämme zu finden, keiner hatte zu einem befriedigenden
Ergebnis geführt. Da war es ein Angriff von außen her,
welcher der deutschen Nation und ihren Fürsten nicht nur die
Gefahren zeigte, die ein gespaltenes Deutschland bedrohen,
sondern auch die unwiderstehliche Kraft, mit welcher das
einmütige Deutschland im stande ist, alle äußeren Angriffe
zurückzuschlagen, und sich eine gesicherte Ruhe zu erhalten.
Da erkannten aber auch alle deutschen Fürsten und Bölker
die Notwendigkeit, der auf den Schlachtfeldern Frankreichs
erprobten und befestigten Einigung einen bleibenden Ausdruck,
der durch die Macht der Verhältnisse geschaffenen Eintracht eine
dauernde verfassungsmäßige Grundlage zu geben, und alle
einigten sich in demselben Wunsche, der in der Verbindung der
süddeutschen Staaten mit dem Norden Deutschlands, in der
Wiederherstellung des altehrwürdigen deutschen Reiches und der
Kaiserwürde seine Erfüllung fand.
Endlich war die Widerstandskraft Frankreichs überwunden,