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mit dem deutschen Vaterlande zu teil. Die deutschen Stämme
waren zu einem starken Reiche geeint. Unter dem Schutze eines
tüchtigen Heeres arbeiteten Landwirtschaft und Handwerk, blühten In-
dustrie, Handel und Wandel, gediehen Kunst und Wissenschaft. Was
menschliche Fürsorge zu bieten vermochte, das geschah zur Förderung
des Gemeinwohls. Jeder Einzelne genießt ein großes Maß per-
sönlicher Freiheit; durch Unfall-, Kranken-, Alters= und Invaliden=
versicherung, durch eine entwickelte Arbeiterschutzgesetzgebung, durch
ein Beschneiden der Auswüchse der Börse, des Zwischenhandels
und des Wuchers wurde den Unbemittelten geholfen, wurden die
Schwachen geschützt. Jeden Erwerb begünstigt ein Eisenbahn-,
Telegraphen= und Fernsprechnetz, welches sich in immer engeren
Maschen über das ganze Land verbreitet. Beweise für die Hebung
des Nationalwohlstandes sind die materiell bessere Lebensführung
des Volkes, der günstige Stand des Sparkassenwesens und eine
in dieser Ausdehnung noch nie dagewesene Bauthätigkeit. Wo
viel Licht ist, da ist aber auch Schatten. Mächtig emporgeschossene
Parteien streben einen Umsturz der jetzigen Verhältnisse an; doch
steht die landesväterliche Fürsorge dafür ein, daß Gesetz und
Ordnung unter allen Umständen geschützt werden, wie sie ander-
seits auch willens ist, Sachsens Volk vor der Übermacht des
Geldes und dem daraus leicht hervorgehenden Verfall der Sitten
zu bewahren.
Dresden ist eine schöne Stadt geblieben, obschon es seinen
Charakter wesentlich verändert hat. Die Residenz wird zur Groß-
stadt, bedeutende Industriezweige mit den unvermeidlichen rußen-
den Fabrikessen sind eingezogen, große Handelsfirmen haben sich
niedergelassen. Der Verkehr schreitet auch hier über alle andern