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Carlowitz, ein liebes, anmutiges Wesen, eigentlich dazu geschaffen,
leicht und fröhlich durchs Leben zu gehen, nach langem Leiden
1893 durch den Tod zu verlieren. Im Dienste befinden sich
jetzt Gräfin Clementine Einsiedel, seit zwanzig Jahren die treue
und kluge Begleiterin der Königin, und die jüngste Hofdame,
Gräfin Gabriele Reuttner von Weyl, eine geborene Württem-
bergerin, die sich in ihrer neuen Heimat bald die Herzen zu ge-
winnen wußte. Seit 1893 sind bei dem Hofstaate der Königin
vier Hoffräulein angestellt.
Als beim Regierungsantritte des Königs Hofmarschall von
Senfft die Oberstallmeisterstelle erhielt, trat Kammerherr Karl
von Lüttichau als Oberhofmeister in den Dienst der Königin,
zugleich als Kämmerer in den des Königs. Er gehörte zu den
hervorragendsten und sympathischsten Persönlichkeiten des Hofes.
„Le beau Charles“ war sein Gesellschaftsname in der vornehmen
Damenwelt gewesen. Groß, von schönem Wuchs und edler Er-
scheinung, fühlte sich jeder von ihm angezogen und gefesselt. In
seiner Jugend hatte er in der diplomatischen Laufbahn gear-
beitet und kannte die Welt. Dabei fehlte ihm nicht ein idealer
Zug. Im französischen Kriege hatte er sich als Johanniter in
aufopfernder Weise der freiwilligen Krankenpflege gewidmet.
Seine Wahl zu dem wichtigen Vertrauensposten konnte keine
bessere sein, er füllte diesen in feinfühligster und wirksamster
Weise aus und zeigte sich stets als ein Mann von Verstand,
Herz und guter Erziehung. Er mußte im besten Mannesalter
aus diesem Leben scheiden. Oberhofmeister Werner von Watz-
dorf trat an seine Stelle. Ein ebenso geistreicher, wie liebens-
würdiger Mann, wurde er nach einigen Jahren als Staats-