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Aufnahme. Mitte Juli wurde eine Reise nach Lindau ange—
treten, wo die Kronprinzeß blieb, während der Kronprinz bis
Mitte August die Schweiz bereiste. Die Kronprinzeß bewohnte
außerhalb der Stadt, nahe beim Lindenhof, die Villa Brune
mit einer der herrlichsten Fernsichten auf die weite, grüne Wasser—
fläche des Bodensees und auf die Alpen bis Säntis und Scesa—
plana. Das Leben war still, nur unterbrochen durch längeren
Besuch der Herzogin Helene in Bayern, nachherigen Erbprinzeß
von Thurn und Taxis. Herrlich waren die Spaziergänge und
Fahrten zu verschiedenen Tageszeiten, wobei See und Gebirge
sich in immer neuen Lichtern und Farben darstellten; sie führten
öfters zu Prinzeß Luitpold von Bayern, welche in Lindau eine
Besitzung hatte. Mitte August kehrte der Kronprinz über Lindau
nach Dresden zurück.
Die Kronprinzeß überraschte ihre Großmutter in Umlkirch
bei Freiburg im Breisgau und beredete sie, mit ihr nach der
Weinburg zu gehen. Hier bei ihrer Tante, der Fürstin
von Hohenzollern, weilte die Kronprinzeß mit besonderer
Vorliebe, und wiederholten sich diese Besuche in vielen
späteren Jahren. Das zwischen Rorschach und Rheineck im
Rheinthale, am Fuße des Buchberges mit dem Blick auf die
Vorarlberger Alpen gelegene Schloß war der Sitz wahren Familien
glückes. Jede steife Etikette war verbannt. Wohlwollen und
Ungezwungenheit herrschten in dem Kreise der Verwandten und
Gäste des Fürsten und der Fürstin. Die Kronprinzeß empfand
hohe Verehrung für ihren Onkel. Fürst Karl Anton von Hohen-
zollern war eine hervorragende Persönlichkeit von großer Klarheit
des Geistes und festem Willen. Die Kronprinzeß weilte oftmals,