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Nach Art. 5 Abs. 1 der Reichsverfassung ist die Ueber-
einstimmung der Mehrheitsbeschlüsse von Bundesrat und Reichs-
tag zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend. Das
ist der allgemeine Grundsatz; durch ihn werden Ausnahmen
keineswegs ausgeschlossen, wie denn Abs. 2 des Art. 5 und
Art. 78 solche enthalten. Es fragst sich also nur, ob Art. 11
eine weitere Ausnahme geschaffen hat.
Von seiner Bedeutung für den völkerrechtlichen Abschluss
der Verträge abgesehen, hat Art. 11 Abs. 3 der Reichsverfassung
verhindern wollen, dass die von ihm bezeichneten Staatsverträge
ohne Zustimmung von Bundesrat und Reichstag als Vertrags-
gesetze in Kraft treten, d. h. ohne Zustimmung der ordentlichen
gesetzgebenden Faktoren. Damit ist aber nicht gesagt, dass
dieselbe in diesem Falle ausreiche. Freilich kann man auch
nicht behaupten, dass der Unterschied von den Rednern klar er-
kannt worden sei, welche bei der Verfassungsberatung über Art. 11
und die zu ihm gestellten Anträge im Reichstage gesprochen
haben. Um nur eins zu erwähnen, so sagte Dr. v. GERBER zu
dem bekannten Antrage ERXLEBEN und Genossen : „Dieser An-
trag enthält in seinem Schlusssatze, um das gleich hier zu be-
merken, einen Aenderungsantrag des zweiten“ (jetzt dritten)
„Alineas unseres Artikels, wonach die Verträge, welche die
Bundesgewalt mit fremden Staaten abschliesst, insoweit als sie
in den Bereich der gesetzgebenden Gewalt des Bundes fallen,
auch den Formen der Gesetzgebung unterliegen sollen. In dieser
Beziehung würde ich mich dem Antrage durchaus anschliessen“ ?°,
Auch wenn sie von mehreren Seiten geteilt werden, sind solche
Interpretationen doch nicht von ausschlaggebender Bedeutung
gegenüber dem klaren Wortlaut und dem logischen Sinne des
(sesetzes selbst *!,
0 BezoLp, Materialien der Deutschen Reichsverfassung, Bd. I, Berlin
1873, S. 680.
?ı Vgl. Entsch. des Reichsgerichts in Zivilsachen, Bd. XXXIIT, S. 160 ff.
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