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lehnen des rauschenden Elbstromes entgegen, auf dem nur wenige
Dampsschiffe, aber zahlreiche Segelschiffe wie weiße Schwäne
dahinzogen. Die schöne Natur, herrliche Kunstsammlungen, ein
vortreffliches Theater, biedere und artige Bewohner waren die
überall anerkannten, viele Fremde anziehenden Vorzüge der
sächsischen Hauptstadt.
Der Hof bildete den Mittelpunkt Dresdens. Das Leben
an demselben war ein sehr geregeltes. An bestimmten Tagen
wurde das Hoflager Anfang Mai nach Pillnitz und um Michaelis
wieder zur Stadt verlegt. Kurze Aufenthalte führten den König
Johann nach Weesenstein oder Jahnishausen. Letzteres liebte
er besonders und lebte dort wie ein einfacher Landedelmann.
Die verwitwete Königin Marie verbrachte den Sommer auf dem
Weinberge zu Wachwitz. Die Schwester des Königs, die poetische
Prinzeß Amalie, und die Tochter Friedrich August des Gerechten,
die ehrwürdige Prinzessin Auguste (7 80 ½ Jahr alt 1863),
folgten dem Hofe nach Pillnitz. Prinz Georg schuf seiner Familie
ein Heim auf dem Lande, in dem der königlichen Sommerresidenz
benachbarten Hosterwitz.
Am Neujahrsfeste mittags fanden die Glückwunschkuren
bei den Majestäten statt. Abends 8 Uhr war Assemblée in den
Paradesälen des Schlosses, wobei die Prinzen und Prinzessinnen
des Königlichen Hauses beim Kartenspiel eine Defilierkur entgegen-
nahmen. Der Assemblée ging in einer Präsentationskur die
Vorstellung zahlreich angemeldeter Damen und Herren voraus.
Der Karneval brachte drei Hofbälle, wozu meist durch Ansage
alle hoffähigen Personen aufgefordert wurden, und zwei Kammer-
bälle, zu denen besondere Einladungen ergingen. Die Zahl der