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wandt; der Vater der Prinzessin und die Mutter der Erzherzogin
waren Geschwister. Beide hohe Frauen erwarteten ihre Niederkunft,
und Kaiser Franz hatte Prinzessin Louise, der er sehr geneigt war,
angeboten, das Kaiserhaus, das sogenannte Stöckl"*), zu bewohnen,
um dem Schönbrunner Lustschlosse und der dort stets bereiten
Hilfe nahe zu sein. Die gütige Rücksichtnahme des Kaisers zeigte
sich auch durch die bei seiner Abreise erlassene Anordnung, daß
während neun Tagen nach der Geburt die Durchfahrt durch die
Schönbrunner Hauptallee auf der Hietzinger Seite täglich abends
um 7 Uhr geschlossen und erst von früh 9 Uhr an wieder gestattet
werden sollte.
Das Kaiserstöckl liegt am Ausgangsthore des Schönbrunner
Parkes auf die Hietzinger Straße. Es hat Erdgeschoß, ein erstes
Stockwerk mit sehr hohen und ein zweites mit niedrigen Zimmern.
Es ist Mitte des 18. Jahrhunderts in der Regierungszeit der
Kaiserin Maria Theresia erbaut worden und hat, von den Fürsten
Kaunitz und Metternich an, meist den Ministern des Außeren
als Sommerwohnsitz gedient.
Die feierliche Taufe der kleinen Prinzessin im evangelischen
Glauben Augsburger Bekenntnisses wurde durch den Wiener
Superintendenten Pauer Mittwoch, den 7. August, mittags 12
Uhr, im Schönbrunner Kaiserhause vollzogen. Taufpaten waren
Kaiser Franz I. und Kaiserin Caroline von Osterreich, die ver-
witwete Großherzogin Stephanie von Baden, der Großherzog
August, die Großherzogin Cäcilie von Oldenburg und die
*) Unter „Stöckl“ versteht man in Wien ein kleines, freistehendes
Palais oder Landhaus. Es giebt auch im Augarten ein keiserliches
Stöckl, welches einst dem Kaiser Joseph als Jagdschlößchen diente.