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läßt, das schönste romanische Bauwerk Sachsens entstanden. Denn
hier wölben sich die gemalten Fenster in rundlichen Bogen. Hier
zeigen die Schäfte und Köpfe der Pfeiler eine wechselvolle Form.
Das kunstvolle Schnitzwerk an Kanzel und Altar, welches den Heiland
am Kreuze darstellt (über dem Gottvater und die Taube des Geistes
schweben, unter dem Adam das erlösende Blut auffängt und Johannes
den Fuß auf die Erde setzt, während sich zu den Füßen der Maria
ein Heide windet), kennzeichnen die Kirche als christliche, die Wand-
bilder aus dem Leben der Maria aber als eine katholische. Sie
bleibt nicht bloß die schönste Zierde des Schlosses, sie ist
— die schönste Kirche des Tales.
6. Und nun wenden wir uns noch den Schulen zu, die die
geistige Bildung der Ingend im Tale pflegen. Obschon viele freund-
liche Banten in Dorf und Stadt des Gebietes bekunden, daß ein
opferwilliger Sinn unter den Bewohnern für die Zwecke des Schul-
wesens lebt, so verdient doch vor allem Grimma (11 T.) die
Schulstadt des Tales genaunt zu werden. Hier vereinigen sich die
einzelnen Schönheiten des Tales noch einmal zu einem Gesamtbilde.
In breitem Gauge strömt die Mulde an der altehrwürdigen Stadt
vorüber. Felsen treten hart an den Fluß heran (Rabenstein,
(Kattersburg), der Laubwald berührt das Ufer (Gesundbrunnen),
Wiesen= und Feldflächen breiten sich zwischen den mäßigen Uferhöhen
aus. Der Ort war lange ein Stapelplatz für den Warenverkehr auf
der Mulde, und seine Tuche waren so fein, daß sie Luther nicht
tragen wollte. An der linken Muldenseite erhebt ein Schloß seine starken
Flanken, in dem Albrecht der Beherzte (1443), der Stammvater
unnseres Königshauses, geboren wurde, und die Landesschule lehnt
ihre schmucken Schulgebände an die schlanke Klosterkirche an. Sie
wurde im Jahre 1550 durch Kurfürst Moritz von Merseburg in
die Ränme des alten Augustinerklosters verlegt, ist mehrfach erneuert
worden und pflegt nun im Sinne Luthers nicht bloß den frommen
Sinn, sondern auch die sprachliche Bildung der Schüler, die zugleich
Kost und Wohnung in der „Fürstenschule"“ finden. Das nahe
Kloster Nimbschen, aus dem Katharina von Bora entfloh, das
entferntere Schloß Döben, das über Muldenfelsen steht, sind er-
wünschte Ziele der Wanderungen für Lehrer und Schüler, und so
verstehen wir, daß die Umgebung der Stadt und ihre geistigen
Auregungen schon den Melauchthon zu dem Ausspruche
führten, daß ihm kein Ort im meißnischen Lande lieber
sei, als — Grimma, die schönste Schulstadt im Muldentale.
Schlußzusammenfassung: Unsere heutige Wanderung hat
uns zu einer großen Zahl von Orten geführt, die wir nun am
Schlusse übersichtlich ordnen wollen. Es sind vor allem Waldenburg
und Wolkenburg, Penig und Rochsburg, Wechselburg und Rochlitz,
Colditz und Grimma. Die ersten zeigen uns vor allem Wald und
Park, die nächsten Schlösser und Burgen, die folgenden einen