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werden durch den Johannapark getrennt, an dessen Wiesengrün
und Wasserfrische sich die Jugend erfreut. Die Grenze zwischen der
Süd= und Ostvorstadt wird etwa durch das Johannistal bestimmt,
hinter dessen Rosengärten der neue Friedhof liegt. Ost- und Nord—
flügel aber werden durch zahlreiche Schienenstränge auseinander ge—
halten, die sich hier von 4 Bahnhöfen (Dresden, Magdeburg.
Thüringen und Berlin) berühren. Von allen Seiten her drängen
sich dann im weiteren Umkreise die stadtähnlichen Vororte heran,
die in den Verband der Stadt mit aufgenommen worden sind. Von
diesen neuen Stadtteilen merken wir im Osten L.-Reudnitz, das
schmucke Straßen, Gärten und Hänser zeigt. Im Norden finden wir
L.-Gohlis, in dem Schiller einst einige schwungvolle Lieder dichtete.
Im Süden prägen wir uns L.-Connewitz ein, zu dem die Pleiße
entlang sonntäglich Scharen aus den städtischen Manern nach dem
Ratswalde wandern. Im Westen heben wir L.-Plagwitz heraus,
dessen Namen euch schon gewiß durch seinen Warenversand und seinen
Palmengarten geläufig geworden ist. Innenstadt, Vorstädte und die
neuen Vorstadtorte bilden demnach drei sich erweiternde Kreise des
Leipziger Stadtplanes. Werfen wir aber einen weiteren Blick auf das
Stadtbild, so wird uns wohl auch die Eigenart der einzelnen
Stadtviertel ersichtlich. An den gekrümmten und engen Straßen
der Innenstadt erheben sich dunkle und hohe Häuser mit Keller-
wohnungen, Kanufgewölben und drei bis vier Stockwerken. Hohe
Dachfenster steigen auf, ein Erker springt nach der Straße vor, und
cin breiter Torweg führt in den langen Hof, der von Lagerränmen
umschlossen wird. Jedes Haus ist mit seinen zahlreichen Geschäfts-
und Wohnräumen eine kleine Welt für sich, wird aber wohl durch
eine „Passage“ mit der Nachbarstraße verbunden. Die Innenstadt
ist der Sitz der großen Handelsgeschäfte; sie wird vom Kaufmanne
beherrscht. Die älteren Vorstädte zeigen längere und gerade
Straßenlinien. Palastbauten steigen neben ausgedehnten Fabrik-
anlagen an ihnen anf. Baumgruppen und Blumenbeete füllen
die Gärten, die den Vor= oder „Hogfranm der Häuser vertreten.
Alles ist licht= und luftvoller, zu Wohnungen für reiche Handels-
oder Fabrikherren wohl geeignet. Die neuen Vorstadtdörfer
haben in Garten und Feld ihre ländliche Natur nur noch zum Teil
bewahrt. Neben den Villen der vermögenden Bürger Leipzigs und
den hohen Schornsteinen, den deutlichen Wahrzeichen der Industrie
(sür Wachstuch, ätherische Ole, Maschinenbau), stehen hier vor allem
dic einfachen Hänser der Arbeiter, die in großen Scharen nach
den Geschäften Leipzigs ziehen, um besonders als Markthelfer ihre
starken Arme dem Handelsverkehre zu bieten. Handel im Mittel-
punkte, Fabrikbetrieb in dem inneren und Arbeiterleben
in dem äußeren Gürtel — das kennzeichnet das reiche Leben
in dem Bilde der größten Stadt (455 T.) unseres Landes.
3. Der Handel ist seither die Seele dieses Stadtkörpers und seiner
polypenartigen Glieder gewesen. Die Häuser sind mit Firmen bedeckt, in