Full text: Landeskunde des Königreiches Sachsen. Ausgabe A.

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Bilder des gemütvollen Malers Ludwig Richter gesehen? Was 
ihr da mit Lust betrachtet, das ist zum großen Teil ein Abbild des 
Meißner Lebens! Allabendlich umgab es ja den Meister, wenn er, 
vom Schlosse herabsteigend, die Bürger vor ihren Türen, die Kinder 
auf den Straßen, die Tauben auf dem Dache, die Enten im Teiche, 
die Herden auf der Heimkehr von der Weide fand! Und nehmt ihr 
zu diesem friedlichen Bild der eigentlichen Stadt noch den Elbstrom 
hinzu, der von Schiffen belebt wird, das hohe Gegenufer, von Vor- 
orten besetzt, die benachbarten Elbgehänge, mit Kapellen und Kloster- 
resten geschmückt, das Triebischtal, in dem sich das Buschbad versteckt, 
und die Fruchtgelände des Elbtales, mit Reben bewachsen, dann 
werdet ihr wohl auch den Lobspruch des Kaisers Karl V. verstehen, 
der Meißen und seine Umgebung den schönsten Gegenden Italiens 
zur Seite setzte. Vergeßt mir nicht, die Stadt an der Mündung 
der Triebisch und Meißa aufzusuchen. ihren Aufbau (etwa von der 
alten Brücke aus) zu erfassen und euch an dem Schmucke der 
Stadt und vor allem an dem frischen Pulsschlageihres 
bürgerlichen Lebens zu erfreuen! 
3. Und nun steigen wir am steilen Schloßberge hinauf, um auf 
ihm die geweihten Stätten unserer vaterländischen Geschichte zu be- 
trachten. Bis an den Elbstrom hatte Kaiser Heinrich lI. am Anfange 
des 10. Jahrhunderts die Daleminzier zurückgedrängt. Nun galt es, 
an der Grenze des deutschen und slavischen Volksstammes eine starke 
Burg zu errichten, um den nenen Besitz zu schirmen und deutsches 
Wesen weiter nach dem Osten zu tragen. Deshalb ließ der Kaiser 
Mauern und Türme zu einer mächtigen Feste (928) erstehen, legte 
eine Besatzung in die Burg und setzte einen Grafen über die Burg- 
männer. Die Aufsicht über den Grenzgau aber und die Pflicht, 
für das Recht der neuen Untertanen zu sorgen, übertrug er einem 
Grenz= oder Markgrafen (Meißen soll „Grenzstadt“ bedeuten). 
Später wurde Konrad von Wettin zum erblichen Markgrafen des 
Meißner Landes (1123) erwählt. Das Geschlecht der Wettiner hat 
den beschränkten Besitz in den folgenden Jahrhunderten mehrfach 
erweitert. Aber der Keim zu unserem sächsischen Staate wurde mit 
dem Grundsteine der Burg zugleich in den Schloßberg eingesenkt. 
Nun haben wir ihn erstiegen, und unser Auge sucht die altberühmten 
Mauern. Doch wir finden sie nicht mehr; denn an ihre Stelle ist 
ein neues, schöneres Fürstenschloß getreten. Es wurde Ende des 
15. Jahrhunderts aus Pirnaischem Sandstein errichtet, zeigt einen 
Mittelbau, der für Wirtschaftszwecke verwendet wurde, und zwei 
Flügel, von denen der eine als Herren-, der andere als Damenhaus 
diente. Uber den umfangreichen Kellern steigt der ganze Bau in 
sechs Stockwerken auf, die durch bandartige Simse für unser Auge 
abgeteilt werden. In dem Hofraume des Schlosses, der auf unserem 
Bilde nur vier Etagen und in den zugespitzten Formen der Dach- 
fenster den gotischen Baustil zeigt, fällt uns besonders ein hervor- 
springender, reich durchbrochener Mittelturm auf, der „große Wendel-
	        
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