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ist, das wir am Anfange der heutigen Stunde von der Allgemein-
natur der Niederung entworfen haben. Dort aber, wo sich die
Röder entschieden nach Westen wendet, vergebens bemüht, den Elb-
strom zu erreichen, liegt in der Ebene die stattliche Industriestadt
Großenhain (12 T.) ausgebreitet. Von dem reichen Walde, der die
Gegend noch in der Zeit der Gründung dieses Ortes deckte, ist nur
im Namen der Stadt noch ein leiser Nachklang vorhanden. Die
Slaven nannten den Ort Osek, ein Ausdruck, der von den einen auf
die Zitterpappel bezogen wird, die mit ihrem beweglichen Blätter-
schmucke besonders die nördliche Niederung belebt, von andern hin-
gegen als Ausrodung der schönen Waldfluren gefaßt wird. Der
deutsche Volksmund bezeichnet den Ort einfach mit dem anheimelnden
Ausdrucke „Hain“, was um so berechtigter ist, als er sich heute noch
in einen Kranz von Anlagen hüllt. Die Heidestriche der Umgegend
wurden früher von Schafherden abgeweidet, die ihre Wolle zum
Spinnen des Garnes und zum Weben des Tuches boten.
Wenn nun gleichwohl die Schafzucht zurückgegangen ist, so haben sich
doch die städtischen Spinnereien, Webereien und Druckereien
erweitert, die ihre Wolle nun von dem Auslande beziehen. In den
sumpfigen Niederungen in der Nähe der Stadt wird ferner der
Raseneisenstein gegraben, aus dem in Hüttenwerken ein Material ge-
wonnen wird, das auch die Maschinenwerkstätten in Großenhain
verwerten. In diesen werden dann die landwirtschaftlichen
Geräte gebaut, welche den Boden der Umgegend pflügen und ab-
ernten helfen. Die großen Fabrikgebände und die freundlichen Herren-
und Bürgerhäuser geben der regelmäßig angelegten Stadt nun einen
recht gewinnenden Ausdruck. Am schönsten leuchtet aber doch der
hochherzige Sinn eines Bürgers der Stadt (des Rentamtmanns
Preusker) noch auf die Nachwelt fort, der die Bibliothek, Ge-
werbeschule und Kinderbewahraustalt des Ortes ins Leben rief, um
die gewerbliche, geistige und sittliche Bildung der Bewohner zu heben!
So schließen wir an den Namen des Ortes seine frühere
Waldnatur, an Sumpf und Heide in der Nähe seine
Industrie und die geistige Bildung der Bewohner an
seinen Ehrenbürger an.
6. Die Früchte der Landwirtschaft und Industrie suchen aber
nach Absatzwegen und finden sie auch reichlich in unserer Niederung.
Die schönste Verkehrsstraße ist seit alter Zeit der Elbstrom ge-
wesen. Kettendampfer schleppen Obst und Getreide nach dem be-
dürftigen Norden. Elbkähne und Flöße führen Kohlen und Holz
über die Grenze des Landes. Raddampfer bringen dann wiederum
Kaufmannsgüter, namentlich Kaffee und Petroleum, nach unsern
Handelsstädten auf der Elbe herauf. Dort, wo sich diese nun an-
schickt, Sachsen zu verlassen, hat sich daher vor allem die Stadt Riesa
(13½ T.) zu einem starken Verkehrsorte unseres Vaterlandes auf-
geschwungen, eine Stadt, deren Name schon „Fährort“ bedeuten soll,
in deren Hafen Kähne und Schiffe ruhen, und deren mächtige