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Wald ein, der mit dunkler Hülle den starken Gliederban des männ—
lich kräftigen Berges umsaßt. Beeren und Pilze wachsen an den
feuchten Gehängen, und der „Veilchenstein“ duftet (von der Alge
Chroolepus hercynicus herrührend) am Fuße des felsigen Gipfels.
Hier erschließt uns der Aussichtsturm noch einmal ein umpassendes
Gebirgsbild der angrenzenden Gaue. Besonders erfreuen wir uns
aber an den Schlössern, welche die böhmischen Berge decken, an
den kleinen Seen, die aus der Niederung glänzen, und an den
Städten, die sich auf allen Seiten um unsere Hochwacht lagern.
Das geschichtliche Reichsstadt (Napoleon II.) im Süden, das
freundliche LKöban im Norden, das gewerbfleißige Rumburg im
Westen und das prächtige Görlitz im Nordosten sind einige Marken
des Städtebildes. Könige und Kaiser haben schon vor uns den Berg
bestiegen, und das Aussichtsgerüst trägt in dankbarem Gedenken an
einen hohen Besuch den Namen „Carolaturm“. Auch über den
Hochwaldgipfel läuft die Grenzlinie unseres Landes, und ein Schritt
führt uns von dem sächsischen „Carolaturm“ nach dem Gasthanse
Hinüber, das seine Gäste mit böhmischem Getränk und Gebäck bewirtet.
Vergebens suchten Italiener etwa vor hundert Jahren Edelgestein
am Berge. Der Lansitzer hat es tatsächlich im Berge selbst gefunden:
Die kräftige Wölbung der Kuppe, der dunkle Wald der
Flanken, der aussichtsreiche Turm des Gipfels erklären
hinlünglich, daß der Hochwald der Volksberg der Lansitz
wurde.
5. Das echte Kleinod der Zittaner Berge finden wir aber erst
nordöstlich vom Hochwald in schöner Bergumfassung liegen. Hier
steigt der Oybin (512 m) wie eine Sandsteinglocke aus der Wald-
umrandung auf. Nur an einer Stelle ist er mit dem Felsenzuge
verwachsen. Auf den anderen Seiten lösen ihn der Hausgrund
und eine weitere Talkrümmung frei von der Umgebung ab. In
dem Grunde ruht still ein kleiner Teich, den Bäume und Wiesen
umranden, in dessen Flut sich die Forellen tummeln und die Ruinen
auf einer hohen Steilwand spiegeln. In der Talkrümmung aber
zieht sich das Dorf Oybin entlang, von einfachen Weberhütten,
größeren Gasthänsern und schloßähnlichen Villen gebildet, ein viel
besuchter Kurort für Sommergäste. Der Sandsteinfelsen schichtet
Platte auf Platte, ist von senkrechten Spalten zerrissen und über-
kleidet sein Grau spärlich genug mit dunkelgrünen Kieferkronen.
Ein Fußpfad leitet uns aus dem Bergdorfe zu den mittleren
Gehängen des Berges hinan. Hier lehnt sich die kleine Dorfkirche
an den Bergfelsen und läßt ihren Glockenruf hinab in das Tal er-
schallen. „Droben stehet die Kapelle, schanet still ins Tal hinab;
drunten singt bei Wies' und Quelle froh und hell der Hirtenknab““.
Steigen wir höher, so ragen am Berge die Reste eines alten Wartturms
auf. Fahrgleise am Rande der Wegplatten und Tor= und Mauer-
stücke eines alten Bergschlosses sprechen deutlich zu uns, daß auf dem
Oybin einst eine Raubburg stand. Ritter spähten aus diesem
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