Full text: Landeskunde des Königreiches Sachsen. Ausgabe A.

— 199 — 
bald wieder verläßt und gegen 600 gkm uuserer Heimat 
zu dem Ostseegebiete fügt. 
2. Lieber werden wir den frischen Fluß der östlichen Lausitz 
noch gewinnen, wenn wir ihn nach dieser flüchtigen Begleitung nun 
weiter im einzelnen betrachten, um ihn zuerst als einen recht 
fleißigen kennen zu lernen. Denn kaum hat er nördlich von 
Zittau den aufstrebenden Marktflecken Hirschfelde erreicht, so hat 
er nicht bloß eine größere Mahlmühle, sondern vor allem die 
Turbinen der größten Flachsspinnerei der Lausitz zu treiben. 
Die Rohstoffe der großartigen Fabrikanlage werden aus Schlesien, 
Belgien und Holland, zum Teil aber auch aus den Flachsbereitungs- 
anstalten zu Marienberg und Lichtenberg (bei Freiberg) im 
Erzgebirge bezogen, die zur Fabrik gehören. Gegen 10 Tausend 
Spindeln schnurren, um Kettengarne und Nähzwirn, Schuhgarne 
und Bindfaden zu spinnen. Das Garn wird in großen Kübeln 
gefärbt, im Wasser der Neiße gespült und in einem 5 Etagen hohen 
Hause getrocknet. Versendet werden die Garne dann an die Web- 
fabriken, Bandweber und Seiler des Inlandes. Mit allen ihren 
Hilfsanlagen, zu denen unter anderen Buchbinderei und Korbmacherei, 
Schmiederei und Schlosserei gehören, umfaßt der gesamte Fabrik- 
betrieb gegen 40 verschiedene Gebände. Schmale Bahngleise 
verbinden die Fabrikräume mit der Niederlage. Eine Fernsprech- 
leitung geht aus dem Konutor in die Arbeitssäle. 50 Mann 
Feuerwehr sind zum Schutze der Spinnerei in ernster Gefahr bereit, 
und verschiedene Kassen sorgen für das Wohl der etwa 1000 Arbeiter. 
Aus geringen Aufängen hat sich die ganze Anlage er- 
hoben, ein schaffender Geist lenkt das ganze Getriebe, und 
der Hirsch im freien Felde als Fabrikmarke ist ein be- 
zeichnendes Sinnbild dafür geworden, daß die Spinnerei 
von Jahr zu Jahr neue Erwerbungen ansetzt. 
3. Nördlich von Hirschfelde schmückt sich die fleißige Neiße 
ferner auch zum schönsten Flusse der sächsischen Lausitz. Hüben 
und drüben wölben sich die Ufer zu höheren Rändern auf. Einzelne 
Berge gliedern sich von den Uferwällen ab und treten in stattlichen 
Formen deutlich hervor (Steinberg). Felsengruppen heben sich mit 
ihren Spitzen und Mauerzinnen heraus und sind dürftig mit Moosen 
und Flechten umkleidet. Beide Talwände aber werden reich in das 
Grün der Laub= und Nadelwälder gehüllt. Ein breiter Fußweg 
läuft an dem Ufer hin, und Rasenstreifen steigen zum Flusse nieder. 
Denn in der Sohle des Tales hat sich die Neiße ihre Bahn ge- 
sucht. Bald fließt sie in beschaulicher Langsamkeit dahin und setzt 
den Schlamm an gebogenen Ulferstellen ab. Bald beschleunigt sie 
ihren Lauf und rauscht über abgeschliffene Steine, die von den Ufern 
rollten, oder von dem Flusse selbst aus den böhmischen Bergen in 
dieses stille Tal getragen wurden. Nun erfreuen wir uns an dem 
hell ausschäumenden Wasser und dem dichten Buschwerke, das die 
Ufer umgürtet. Eine Gondel gleitet durch die Flut, und Brücken
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.