Full text: Landeskunde des Königreiches Sachsen. Ausgabe A.

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schlagen auf steinernem Pfeiler ihre Eisengefüge von Ufer zu Ufer. 
Deun durch das Neißetal braust ein Dampfzug, der Waren und 
Wanderer von Görlitz nach Zittau führt. Schon frühzeitig ist der 
Verkehr zwischen diesen Städten durch das Tal gezogen. Aber nicht 
ungehemmt sollte er es im Mittelalter verlassen. Denn am süd- 
lichen Ausgange erhob sich auf hohem Uferrande die alte Raubburg 
Rohnan, der Schlüssel zum Tale. Hier sind gar oft „Mannen 
und Bürger geschlossen, gefangen, geraubt und geschädigt worden“. 
Da zogen auf Befehl des Königs Wenzel die Sechsstädte aus, 
legten Sturmleitern an die Mauern und schossen Pfeile von der 
Armbrust in die Fenster der Burg. Der Raubritter wurde ge- 
troffen, als er sich den Harnisch umschnallte, und sein fester Adlerhorst 
zerstört. Nun ragen nur noch wenige Mauerreste auf. Der Wall- 
graben ist verschüttet, der Brunnen verödet, und zwischen Kieferbäumen 
schauen die Trümmer trauernd ins Tal. Die grünen Felsen- 
böben, der schattige Talweg, der frische, sich klärende 
Fluß und die Reste der Burg Rohnau gereichen dem 
Neißetale zur besonderen Zierde. 
4. Aber nicht nur fleißig und schön, auch weihevoll ist das 
Neißetal. Ehe die Neiße den nördlichen Austritt gewinnt, treten 
ihre Talseiten zurück und schmiegen ihre niederen Bogen um einen 
lieblichen Kessel. In ihm breiten sich größere Wiesenflächen aus. 
Obstbäume stehen am Wege, und ein Garten kündigt die Nähe 
menschlicher Wohnungen an. Bald blinken helle Feusterscheiben aus 
dicht belaubten Kronen. Wir stehen vor einem Kloster. Eine 
Maner umzieht die Gebäude des frommen Ordens. Bedeutet ja 
„Kloster“ einen abgeschlossenen Raum. Wir treten durch ein Tor 
in das weite Gehöfte ein. Hier stehen die Scheunen und Schuppen, 
die Ställe und Wirtschaftsgebäude des Klosters. Hat es doch einen 
reichen Wiesen-, Wald= und Feldbesitz in der Umgebung, aus dem 
es zum guten Teile seinen Unterhalt gewinnt. Mehr im Hinter- 
grunde erhebt sich die Klosterbrauerei, und an der Neiße selbst 
klappert die Klostermühle. Dem Hofraume schließt sich dann weiter 
ein Park an, in dem die friedlichen Wohngebäunde der Nonnen 
stehen. Diese legen beim Eintritte ihren Namen ab, um den einer 
Heiligen anzunehmen. Sie geloben ihrem Heilande ewige Treue 
und verpflichten sich zu einem reinen Leben voll christlicher Liebe. 
Ihr Klostergewand ist weiß, schwarz der Schleier und das Krenz 
auf der Brust ihr schönster Schmuck. Neben dem eigentlichen 
Kloster steigt die Kirche auf, die durch farbige Fenster, bildgeschmückte 
Altäre und vergitterte Logen am Chore für die Nonnen be- 
sonders ausgestattet ist. Auf zwei Seitenaltären ruhen in vergoldeten 
Särgen die nachgebildeten Leiber und einige Reste (Reliquien) zweier 
Heiligen, die namentlich durch Wallfahrer des Klosters verehrt 
werden. Gesang und Gebet tönen dann durch die geweihten Räume. 
Durch Hilfe in der Not bewähren die Nonnen ihre christliche 
Barmherzigkeit. Ein Vogt sorgt für die wirtschaftlichen, ein Probst
	        
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