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ander verbunden sind. Diese Aue wird von einem Mühlgraben um-
zogen, der sich rechts von der Mulde abzweigt und mit dem Flusse
nun eine Insel bildet, die den Namen „Wehrdicht“ führt. Die schöne
Muldenaue und der kräftige Fluß luden von selbst zur Grün—
dung der Stadt Glauchan ein, die wegen des mehrfach gehobenen
Grundes im Volke scherzweise auch die „Siebenhügelstadt“ genannt
wird. Bald aber steigt das rechte Ufer wieder in zwar niederen,
aber doch steilen Höhenzügen auf. Diese tragen ein umfangreiches
Schloß, das sich auf feste Grundmauern stützt, mit vielen Türmen
und Giebeln geschmückt ist und durch einen Graben in zwei Ab—
teilungen zerfällt, die nach ihrer Lage zur Stadt als „Vorder= und
Hinterglauchau“" bezeichnet werden. Das Doppelschloß ist der
Stammsitz eines alten fürstlichen Geschlechtes, der Herren von Schön=
burg. Früher gehörten diesen in Sachsen 9 Städte und 99 Dörfer,
welche den Namen „Schönburgische Rezeßherrschaften“
trugen, da sie auf Grund eines Vertrages oder Rezesses durch
die Herren von Schönburg mit verwaltet wurden. An das Schloß
selbst schließt sich ein wohlgepflegter Park, der die Muldenhöhen
grün überkleidet. Die Fabrikessen der Stadt suchen die Turmspitzen
des Schlosses an Höhe zu erreichen. Villen der bemittelten Be-
völkerung drängen sich überall in den Stadtkreis ein. Gärten mit
Büschen und Bäumen durchsetzen die blanken Häuserreihen und ge-
stalten das Ganze zu einem freundlichen Bilde. So kündigt
sich Glauchau in seinen Dampfschornsteinen zwar als
Fabrikstadt, in seinen Villen als vornehmer Ort
der Kaufmannschaft und der Beamtenwelt und in
seinem Schloß als Sitz eines altadeligen Grafen-
geschlechtes an.
2. Wodurch aber ist Glauchau zu einer so schönen Stadt unse-
res Vaterlandes erblüht? Reiche Erzschätze sind es nicht gewesen,
die den Reichtum in seine Mauern trugen. Denn obwohl man früher
emsig nach ihnen grub, eine wertvolle Ausbente ergab der Grund
und Boden nicht. Das will der Name des Ortes ja noch heute aus-
drücken; denn Glanchau bedeutet „taubes Gestein“. Auch die frucht-
baren Felder und saftigen Wiesen der Muldenaue waren es nicht,
die den Wohlstand der Bürger dauernd zu heben und zu erhalten
vermochten; denn mancher Besitzer sah sich in Zeiten der Not ge-
zwungen, sie an benachbarte Bauern zu verkaufen. Wohl aber war
es zunächst die schöne Wasserkraft der Mulde, welche schon frühe
die Räder der Mühlen trieb und neuerdings die Dampfkessel der
Fabriken speist, denen die Stadt ihre Hebung verdankt. Vor allem
aber ist es die Regsamkeit der Geister und das Geschick der
Hände, welches die Stadt zu einer tüchtigen Webstadt Sachsens
erhoben hat. Früher schon webte sie schwarze Tuche, die nament-
lich die benachbarten Bauern Altenburgs kauften. Darauf webte sie
Leinwand, welche den Stempel des Meisters und der Stadt in
ferne Gegenden trug. Dann webte sie halbwollene Westenstoffe,