Full text: Landeskunde des Königreiches Sachsen. Ausgabe A.

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im Zschopantal in doppelter Bedentung. Einmal nämlich hat sich 
der Ort seiner äußeren Ausdehnung nach zu einer Stadt mit über 
„Zehntausend“ (16 T.) erhoben, daun aber liegt er ja zwischen 
einer Stadt am Eingange (Frankenberg) und einer andern am 
Ausgange des Tales (Waldheim) mitten inne. Ein Bergwerk in 
der Nähe der Stadt (bei Schönborn, der „alte Hoffnung Erbstolln") 
läßt vermuten, daß Mittweida früher schwunghaften Bergbau 
getrieben hat. Die reichen Erzschätze leben aber auch hier nur noch 
in den fabelhaften Erzählungen der Bewohner fort, und mit dem 
Schlusse des Jahres 1885 ist auch hier das Bergglöckchen wohl 
auf immer verklungen. Dafür hat nun der Fabrikbetrieb für 
die Bevölkerung neue Erwerbsquellen gebracht. Namentlich be- 
schäftigt die Barchentweberei und Stuhlbauerei viele fleißige Hände. 
Heller aber als das Erz der Erde leuchten in dieser alten Stadt 
heute noch die Schätze des Geistes. Die Wissenschaft hat in der 
Stadt eine Pflegstätte gefunden, die in dem „Technikum“ eine 
höhere Schule für Maschinenkunde besitzt, welche Studierende aus 
fast allen Ländern Europas besuchen. Auch die Kunst hat in der Stadt 
eine Heimat gefunden; denn in der Nähe der Kirche erblicken wir 
auf einer Marmorplatte nicht bloß einen Todesengel mit gesenkter 
Fackel (von Rauch), wir finden in Mittweida auch das Geburtshaus 
des berühmten Bildhauers Joh. Schilling, der das herrliche 
Siegesdenkmal auf dem Niederwalde schuf. So greifen in 
Mittweida, der Mittelstadt im Zschopantale, nicht bloß 
ältere und neue Erwerbszweige (Bergbau und Industrie) 
ineinander, sondern es einen sich auch zugleich Kunst und 
Wissenschaft in ihr, so daß sie dem Harrasfelsen und dem 
fabriktätigen Becken würdig zur Seite tritt. 
4. Den schönsten Schmuck erschließt uns aber das Zschopantal 
erst in der Umgebung der Stadt. Unter Mittweida beginnt der 
Fluß sich schlangenartig zu winden, um sich zwischen trotzigen 
Felsenwänden einen Austritt zu suchen. Da, wo er den ersten 
Ring bildet, liegt das Dorf Ringethal, selber von Wald und Wiese 
und Sage umringt. Treten wir nämlich in den kleinen Gottesacker 
ein, so steht zu unserer Linken der Stamm der Lutherlinde, die 
zwar über den Verlust ihrer Krone trauert, aber nus doch an die 
Worte des Lebens mahnt, die hier einst aus dem begeisterten Munde 
des Reformators flossen. „Deun Gottes Wort und Luthers Lehr' 
vergehen nun und nimmermehr!“ Schattige Wege führen uns dann 
weiter in einen Park, in dem ein stiller Teich eine Insel umringt 
und ein Schloß sich aus dem Ringe der Bäume hebt. Dort aber, 
wo der Zschopanfluß die zweite große Schleife an die erste fügt, 
schaut von trotzigem Felsen die künstliche Ruine eines alten Raub- 
schlosses herab. Gemäuer und Wallgraben umziehen noch den 
Felsenfuß, und Höhlen dringen in die geheimnisvollen Tiefen ein. 
Pfeilspitzen, Schwertklingen und andere Waffeureste liegen in ihr 
verborgen und erzählen dem heutigen Geschlechte, daß in alter Zeit 
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