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bis in sein innerstes Mark hinein erbrochen, um den wertvollen
„roten Sandstein“ (Porphyrtuff) zu gewinnen, dessen behanene
Qnader sich schon oft zu Schlössern und Kirchen des Tales fügten.
Daher finden wir den Steinleib des Berges überall zerrissen. Es
gähnen Klüfte mit senkrechten Wänden zur schwindelnden Tiefe hinab,
und aus den Gründen der „Brüche“ tönt munterer Hammerschlag
zu uns herauf. Aus Porphyrtuff ist auch der massive Turm ge-
baut, der sich auf dem Gipfel des Berges über die Wipfel der
Tannen erhebt und den Namen des Königs Friedrich Augnst (II.),
eines warmen Freundes unserer vaterländischen Berge, trägt. Von
seiner Brustwehr aus liegt zunächst die Natur des Tales erschlossen
vor uns. Dort zieht die Mulde in wechselndem Spiel ihre zahl-
reichen Windungen, zeigt bald ihren glänzenden Spiegel, verbirgt
sich bald in bewaldeter Schlucht. Wiesen und Fruchtauen tränkt
sie mit schänmender Welle, überall drängen sich Dörfer an ihren
Strand heran, und Türme der Städte spiegeln sich ruhig in der
breiten Flut ihrer Wehre. Bei hellem Wetter gewährt uns der
Aussichtsturm zugleich einen herrlichen Weitblick. Wir umspannen
ja das ganze Sachsenland von dem Fichtelberge auf dem Kamme
des Erzgebirges bis zu der nördlichen Ebenc, aus der die Kirchen
von Leipzig tauchen, mit unsern Angen. So wird der Roch-
litzer Berg in Gestaltung und Bewaldung, im Aufban
und Abban seines Gesteins, im Tal= und Weitblick von
seiner Höhe — der schönste Berg des Tals.
2. Steigen wir nun aber von dem Berge in das Tal hernieder,
so verläßt uns gleichwohl der Wald nicht. Uberall begleitet er uns
mit seinem erfrischenden Wehen. Besonders aber breitet er seine
Flügel oberhalb des Rochlitzer Berges über den Talgrund aus.
Hat er ja auch der ersten Stadt, nach der wir uns bei unserer
Talwanderung jetzt wenden, als einer Heimstätte im Walde den
Namen gegeben. Und in der Tat breitet sich um Waldenburg (3 T.),
der Hochstadt an der Mulde, die aber an den Gehängen zur Tiefe
steigt, nicht bloß der dichte, einförmige Naturwald, sondern auch der
lichte, wechselvollere Kunstwald aus. Eine Allee starkstämmiger
Eichen mit knorrigen Kronen führt uns nach einem nahen Waldgarten,
zu dem Fürst Otto Viktor von Schönburg und dessen Vater
das rechte Talufer oberhalb ihrer Residenz umgeschaffen haben. Am
Eingange leuchtet uns ein schmuckvolles Parkschloß aus den Baum-
gruppen entgegen. In vielfach verschlungenen Linien winden sich von
hier aus die schattigen Pfade über Tal und Höhen, über Brücken
und Stege, in düstere Gehege, zu offenen Grasflächen und Blumen-
stücken. Unten klappert die Mühle im Tal, oben thront die ernste
Grabkapelle, welche die Fürstin (Henriette von Schönburg) ihrem
erlauchten Gemahl mitten im lebensvollen Grün errichtet hat. Mag
nun anch die ganze Anlage den fremdartigen Namen Greenfield
führen, das Volk bezeichnet sie, seiner sinnlichen Anschauung und dem
einfachen Wortverständnis entsprechend, als „Grünfeld"“. Wir