Garibaldi. 261
welcher Wunsch in seinem ganzen Umfang unmöglich zu erfüllen war, —
nachdem er sogar den Wunsch Crispis und Genossen ausgesprochen hatte,
daß er, Garibaldi, als Statthalter in Neapel bleiben sollte, war sein Ab—
schied von Neapel und von Viktor Emanuel eine um so größere That.
Der Republikaner räumte aus Patriotismus dem Könige den Platz,
um diesen nicht zu verdunkeln, um ihm nicht in der Sonne der Zuneigung
des Volkes zu stehen.
Während nun Garibaldi Feldbau treibt, drängen sich an ihn die
wirklichen und die angeblichen Abgeordneten aller möglichen wirklich oder
angeblich unterdrückten Nationalitäten. Das Herz Roms schlägt dem Hel-
den von 1849 entgegen, die Trauer der einstigen Königin der Adria ruft
ihn zur Ritterschaft auf; die verbannten Magyaren, das europäische Wider-
spiel jener südamerikanischen Reitervölker, haben ihm ihr Blut als
Bundesopfer angeboten und Garibaldi hat es auf Wiedervergeltung ver-
gossen; die Slaven der europäischen Türkei, welche sich aus den Schlingen
Rußlands, wie aus den türkischen Fesseln aufraffen möchten, stehen hilfe-
flehend vor Garibaldis Thüre. Die alten mazzinistischen Masken treten
mit Vertraulichkeit als Versucher herzu und trachten sich durch Anreizung
seines Hasses seinen Willen gehorsam zu machen.
So erwartet denn die Welt nicht mehr blos von den Tuilerien,
sondern von dem gleichsam erst im vorigen Jahre entdeckten Caprera aus
das entscheidende Wort. Binnen weniger Wochen bricht der Tag an,
welchen er seinen Getreuen vor aller Welt als den seiner Schilderhebung
bezeichnet hat; welche Ziele, welchen Schlachtenruf wird er ihnen geben?
Alle Mächte, die Hand am Schwert und am Steuerruder, harren darauf;
Napoleon zögert bis dahin seine Politik für dieses Jahr zu entscheiden.
Er weiß, daß die Völker, in deren Namen zu handeln so vortheilhaft ist,
Garibaldi hoch halten; es wäre so nützlich, durch Garibaldi sie sich wie-
der vor den Siegeswagen zu spannen, aber er weiß auch, daß Garibaldi
den Thäter des zweiten Dezembers haßt und wer würde schließlich Mei-
ster bleiben? — Ein großes Jahr ist für Garibaldi niedergegangen, ein
entscheidendes ist für ihn angebrochen. Wird er das heilige Feuer im
Herzen dämpfen und in der Ueberzeugung, daß das Vaterland es verlangt,
jenen Lorbeerkranz ergreifen, der größer ist als der des Städteeroberers?
Wird er Neapel nochmals wirklich und bleibend erobern? Wird er Ve-
netien von der untern Donau her befreien? Wird er Napoleon derart in
die Schranken zurückweisen, daß ihm fühlbar wird, Italien sei für die
Italiener frei, Italien sei der starke, gute Nachbar guter Nachbarn gewor-