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Deutschland (ohne Preußen).
— Januar. Denkschrift des Herzogs von Koburg-Gotha an einen öster-
reichischen Staatsmann: Bundesreformplan, dessen Ausführbarkeit
er „jetzt und ohne große Zuckungen als für Alle möglich“ erklärt:
„Der Kaiser von Oesterreich und der König von Preußen sollten sich da-
hin einigen: 1) Daß das jetzige Bundesverhältniß, gegründet auf die Bun-
desacte, aufzuhören habe. 2) Daß sämmtliche Staaten des bisherigen Bundes
so weit in ein neues Bundesverhältniß treten, als sie germanisches Element
in sich tragen. (Hienach würde der neue Bund bestehen aus. Preußen ohne
Posen, Oesterreich, so weit es jetzt zum deutschen Bunde zählt, sämmtlichen
Mittel- und Kleinstaaten, Luxemburg und einem um einen Theil von
Schleswig zu vergrößernden Holstein als selbständigen Herzogthümern. Ob
und wie weit den deutsch-österreichischen Ländern eine besondere Berücksichti-
gung bei Regelung dieses Bundesverhältnisses zu Theil werden soll, würde
natürlich den weiteren Verhandlungen anheimzustellen sein). 3) Eine Central-
gewalt würde zu gründen sein, gebildet aus einem Fürstencollegium unter
dem alternirenden Ehrenvorsitz der Kronen Oesterreich und Preußen. 4) Bei
den von dem Fürstencollegium als Centralgewalt zu fassenden Beschlüssen
würde auf das rein deutsche Machtverhältniß der Stimmgebenden entscheiden-
des Gewicht zu legen sein. 5) Dieser Centralgewalt zur Seite würde ein
Parlament stehen, gebildet aus ständigen Ausschüssen der obengenannten
Bundesstaaten nach Verhältniß ihrer Bevölkerung. 6) Die Oberaufsicht und
das Oberkommando des Bundesheeres, sowie die Gesammtvertretung des
neuen Bundes nach Außen, würde der Centralgewalt zustehen. Natürlich
wäre einem jeden der Bundesstaaten unbenommen, Familiengesandte an ir-
gend welche Höfe zu senden. 7) Ein Bundesschiedsgericht für Differenzen
innerhalb der Bundesstaaten wäre zu errichten. 8) Mit der Krone Oester-
reich, als selbständiger europäischer Großmacht, würde Preußen im Verein
mit dem neuen Bunde einen bleibenden unauflösbaren Vertrag zu schließen
haben, in welchem Oestereich für alle Zeiten der Besitz seiner Länder garan-
tirt würde, während wieder umgekehrt Oesterreich sich zu verpflichten hätte,
mit seiner Gesammtmacht für den Territorialbestand Preußens und des Bun-
des einzustehen. 9) Preußen sowohl wie Oesterreich verpflichten sich, ohne
ihre gegenseitige Einwilligung keinerlei Kriege zu führen, bei denen deutsche
Interessen gefährdet werden“.
Denkschrift: „Es muß ein Plan gefunden werden, entsprechend dem berech-
tigten Verlangen der germanischen Völkerstämme, nach außen hin als Nation
in Macht und Ehren auftreten zu können, nach innen über die eigenen Ange-
legenheiten gehört zu werden, ohne daß die territorialen Abgrenzungen, an
denen die Stämme hängen, verschwinden. Es muß dabei die zweifache
Rücksicht vorwalten, daß Oesterreich nicht aus Deutschland verdrängt werde,
aber auch umgekehrt, daß die außerdeutschen Interessen jener bedeutenden
Großmacht nicht hemmend auf die Entwicklung der rein deutschen Verhält-
nisse einwirken können. Preußen muß so mit Deutschland verschmolzen
werden, daß preußische Interessen sich nicht mehr von deutschen scheiden
lassen. Oesterreich muß in Deutschland, Deutschland in Oesterreich einen
Schutz, einen Alliirten haben. — Aber lassen Sie mich es offen aussprechen:
ohne die dringende Nothwendigkeit eines Augenblicks, in welchem alle Ver-
hältnisse, interne und externe, in Frage stehen, wird man freilich weder in
Wien noch in Berlin sich gern mit der Lösung dieser Aufgabe beschäftigen.
Betrachten wir hiernach die weitere Frage: Was soll dann werden?
Ein richtiges Bild zu entwerfen, dürfte nicht schwer werden. Oesterreich
wird, wenn es von Osten oder Westen aufs neue bedroht wird, — was in
nicht zu ferner Zukunft liegen dürfte, — in dem von Preußen gänzlich
lahmgelegten Bund Allianzen mit größeren und kleineren Bundesfürsten zu
schließen suchen. Preußen wird in seiner Großmachts- und Neutralitäts-