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Preußen.
Parteien theils in der Zersetzung, theils in der Umbildung, theils in der
kaum begonnenen Entfaltung begriffen waren. Angesichts dieser Zustände
mußte das Ministerium seinen ersten Beruf in der Hingebung an die großen
von der jeweiligen Parteigestaltung unabhängigen, unwandelbaren Aufgaben
jeder preußischen Regierung erblicken. Es konnte nicht gewillt sein, die Lö—
sung dieser Aufgaben von dem ferneren Verlaufe der Entwickelung der poli—
tischen Parteien abhängig zu machen, und mußte deshalb nur um so mehr
die Nothwendigkeit erkennen, die Einheit und energische Zusammen-
fassung des ganzen Verwaltungs-Organismus, für dessen
kräftige und heilbringende Action das Ministerium die Verantwortlichkeit
trägt, gegen ein zuträgliches Eingehen auf regierungsfeindliche Wahlagitatio-
nen sicher zu stellen. Die Staatsregierung weist mit aller Entschiedenheit
den Vorwurf zurück, den erhabenen Namen Sr. Majestät des Königs auf
ungehörige Weise in den Streit der Parteien gezogen zu haben. Sie hat
nur die Pflicht erfüllt, dem Lande die Entschließungen Sr. Majestät kund
zu thun und einer das zulässige Maß überschreitenden Verwickelung der be-
sonderen Organe der königlichen Executive in die Agitationen der Parteien
vorbeugen zu wollen. Die freie Ausübung des Wahlrechts ist den Beamten
nicht verkümmert worden.
„Das Staatsministerium ist sich der Verpflichtung bewußt, dem Lande
den Segen einer gerechten, thatkräftigen und wohlwollenden Verwaltung, frei
von jeder tendenziösen Hemmung der freien Entwickelung geistiger und ma-
terieller Interessen zu erhalten. Es wird daher, den Allerhöchsten Intentio-
nen gemäß, in freisinniger aber besonnener Weise die weitere Durch-
führung der Verfassung zu fördern und die Schwierigkeiten, welche
auf diesem Wege liegen, mit Ruhe und Festigkeit zu überwinden haben. Es
wird dic verfassungsmäßigen Rechte der Krone pflichtgemäß wahren, die
Rechte beider Factoren der Landesvertretung mit Loyalität und Gewissenhaf-
tigkeit achten und jede eintretende Differenz im Geiste gemeinsamer Hinge-
bung für Thron und Vaterland zu schlichten sich angelegen sein lassen, in
der unerläßlichen Voraussetzung, auch bei der Landesvertretung gleicher Ge-
sinnung zu begegnen. -
„Das war der Standpunkt der gegenwärtigen Regierung, als sie die Lei-
tung der Geschäfte übernahm. In diesem Geiste ist der Landtag berufen
und eröffnet worden. In diesem Geiste wird die Staatsregierung ihre Auf-
gabe ferner zu lösen trachten, unbeirrt durch die einseitigen Bestrebungen der
Parteien, wie durch die falsche Auffassung ihres Standpunktes und ihrer
Handlungen. Redlich bemüht, diese zu berichtigen und jene zu bekämpfen,
hält das Staatsministerium an der Hoffnung fest, zum Heil des Vaterlan-
des das Vertrauen zu rechtfertigen, durch welches dasselbe in entscheidender
Stunde berufen worden ist“.
Bei der nun folgenden Adreßdebatte liegen dem Hause der An-
trag der Commission (Entwurf von Twesten) und die Gegenent-
würfe v. Vincke und von Sybel, sowie zwei Amendements von
Reichensperger und von Bresgen vor. Das Resultat der Debatte
ist, daß der Gegenentwurf von Vincke und das Amendement von
Reichensperger verworfen und dagegen der von der Commission be-
antragte Entwurf mit dem Amendement von Bresgen, so wie mit dem
Zusatzantrag Sybels bezüglich Kurhessen (dieser mit 253 gegen 55
Stimmen) und zwar schließlich der so modificirte Entwurf im Ganzen
mit 219 gegen 101 Stimme (von der äußersten Linken, der Rechten
und der Fraction Vincke) angenommen wird. Die Adresse lautet:
„Im Beginne unserer Verhandlungen legt uns die unverbrüchliche Treue